Franziska Giffey wollte gar nicht aufhören zu strahlen. Gerade einmal zwei Stunden habe die für 16.00 Uhr angesetzte Videoschaltkonferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder gedauert, schwärmte Berlins frischgewählte Regierende Bürgermeisterin am Dienstagabend auf der Pressekonferenz, bei der Giffey gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst die von Bund und Ländern beschlossenen neuen Corona-Regeln vorstellte. Sie sollen – zusätzlich zu den bestehenden – bundesweit ab 28. Dezember gelten, wobei die Länder frei sind, diese, einzeln oder in cumulo, auch schon vorher in Kraft zu setzen. Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen kündigten bereits an, einige der von der Bund-Länder-Konferenz gefassten Beschlüsse schon vor Weihnachten umsetzen zu wollen. Alle vier werden von SPD-geführten Koalitionen regiert.
Dem Grün-geführten Baden-Württemberg und dem CDU-geführten Freistaat Sachsen gehen die Beschlüsse indes nicht weit genug. In einer Protokollnotiz halten beide fest, diese gewährleisteten „keine ausreichende Handlungsfreiheit, um schnell auf eine sich zuspitzende Lage, wie sie der wissenschaftliche Expertenrat in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember prognostiziert, reagieren zu können“. Beide Länder fordern „Bundesregierung und Bundestag auf, schnellstmöglich die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit wieder der volle Maßnahmenkatalog des § 28a Abs. 1 IfSG (IfSG = Infektionsschutzgesetz) zur Verfügung steht“. Das Land Baden-Württemberg hält hierzu gar „die erneute Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag“ für „dringend erforderlich“.
Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte
Für private Zusammenkünfte, an denen nicht geimpfte oder nicht genesene Personen teilnehmen, soll weiterhin gelten: Es dürfen sich lediglich die Angehörigen des eigenen Haushalts sowie höchstens zwei Personen eines weiteren treffen, wobei Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht mitgezählt werden.
Weiterhin gilt: Wer nicht im Homeoffice arbeitet, benötigt als Umgeimpfter einen tagesaktuellen Test, um seiner Arbeit nachgehen zu können. Gleiches gilt für die Nutzung von Zügen und des ÖPNV. Ab dem 28. Dezember gelten laut dem von Bund und Ländern gefassten Beschluss darüber hinaus auch Kontaktbeschränkungen für Genesene und Geimpfte. Ihnen sind dann nur noch Zusammenkünfte mit maximal zehn Personen erlaubt. Auch hier werden Kinder bis zum Alter von 14 Jahren nicht mitgezählt. Befindet sich in ihrem Kreis allerdings ein Ungeimpfter oder Nicht-Genesener, greift auch hier: maximal der eigene Haushalt plus zwei Personen eines anderen. An Silvester und Neujahr gilt ein „An- und Versammlungsverbot“ sowie ein „Feuerwerkverbot auf durch die Kommunen zu definierenden publikumsträchtigen Plätzen“. „Der Verkauf von Pyrotechnik“ ist, laut der Beschlussfassung „verboten“. „Vom Zünden von Silvesterfeuerwerk“ wird in dem Papier „dringend abgeraten, auch vor dem Hintergrund der hohen Verletzungsgefahr und der bereits enormen Belastung des Gesundheitssystems“.
Bei Treffen von mehreren Personen außerhalb des eigenen Haushalts wird „unabhängig von den Weihnachtstagen und Silvester die unabhängige Testung – auch für geimpfte Personen – empfohlen“. Dies gelte besonders für „das Zusammentreffen mit älteren Personen“. Clubs und Diskotheken, die im Beamtendeutsch unter dem Begriff „Tanzlustbarkeiten“ firmieren, sind – soweit dies von den Ländern nicht bereits angeordnet wurde – spätestens zum 28. Dezember zu schließen. Tanzveranstaltungen sind dann auch anderweitig verboten. Überregionale Sport-, Kultur- und vergleichbare Großveranstaltungen müssen dann ohne Zuschauer stattfinden.
Nächstes Treffen erst wieder am 7. Januar
Die Impfkampagne soll „auch über Weihnachten, an den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester und an Silvester weiterlaufen“. Die Omikron-Variante erhöhe „die Dringlichkeit“ der für Februar 2022 in den Blick genommenen Einführung einer Allgemeinen Impfpflicht. Wie es in dem Beschluss heißt, bitten die Länder „den Bundestag und die Bundesregierung, die diesbezüglichen Vorbereitungen zügig voranzutreiben und kurzfristig einen Zeitplan vorzulegen“. Die „Betreiber kritischer Infrastrukturen“ werden aufgefordert, ihre „betriebliche Pandemiepläne umgehend zu überprüfen, anzupassen und zu gewährleisten, dass diese kurzfristig aktiviert werden können“. Von den Corona-Schutzmaßnahmen betroffenen Unternehmen sollen mit der Überbrückungshilfe IV weiterhin „finanzielle Unterstützungen“ zur Verfügung stehen. Die Härtefallhilfen, einschließlich der Sonderregelung für Messen und Ausstellung, der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen sowie das Programm „Corona-Hilfen Profisport“ und das KFW-Sonderprogramm werden verlängert.
Am 7. Januar will Bundeskanzler Scholz erneut mit den Länderchefs zusammentreffen. Dann sollen die nun vereinbarten Maßnahmen bewertet und gegebenenfalls ergänzt werden.
Unterdessen hat das Bundesverfassungsgericht für den 28. Dezember eine Entscheidung zur Triage angekündigt. Eingereicht hatten die Verfassungsbeschwerde neun Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen, die fürchten, wegen ihrer statistisch schlechteren Überlebenschancen im Falle einer Überlastung der Intensivstationen von Ärzten aufgegeben zu werden. Sie verlangen, dass der Gesetzgeber die Kriterien vorgibt. Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 der Verfassung lautet: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Ersten Senats.
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