Frauke Brosius-Gersdorf strebt nicht länger das Amt der Bundesverfassungsrichterin an. Dies berichten mehrere Medien unter Berufung auf ein Schreiben ihrer Anwaltskanzlei vom heutigen Donnerstag. In dem Schreiben, das auch auf sozialen Medien kursiert, schreibt die Rechtsprofessorin, sie stehe nicht mehr zur Verfügung, da ihr aus der Unionsfraktion „sehr deutlich signalisiert“ worden sei, dass ihre Wahl „ausgeschlossen“ sei. „Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab“, schreibt Brosius-Gersdorf. Nun wolle sie die anderen beiden Kandidaten – Günter Spinner und Ann-Kathrin Kaufhold – nicht gefährden. Zudem müsse verhindert werden, dass innerhalb der Regierungskoalition eine „Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind“.
Die Juristin wiederholt in dem Schreiben auch ihre Einschätzung, die ablehnende Haltung in der Union stehe im Widerspruch zum Koalitionsvertrag, der eine ausgeweitete Kostenübernahme bei der Abtreibung durch die gesetzlichen Krankenkassen vorsieht. Auch spricht sie von einer medialen Kampagne gegen ihre Person. Zwar gehörten auch Kampagnen zum professionellen Journalismus, „Desinformation und Diffamierung hingegen nicht“. Sie als „ultralinke Aktivistin“ zu bezeichnen, entspreche einem wirklichkeitsfremden Zerrbild. „Neu und bedrohlich“ sei auch, „dass sich in sozialen Netzwerken organisierte und zum Teil KI-generierte Desinformations- und Diffamierungskampagnen Bahn brechen zur Herzkammer unserer Demokratie, dem Parlament“ – von Funktionsträgern der Union, die für bürgerliche Werte stünden, dürfe und müsse man erwarten, „dass Grundlage ihrer Entscheidung nicht ungeprüfte Behauptungen und Stimmungen, sondern Quellen- und Faktenanalysen sind.“
Keine „reelle Wahlchance“ mehr
Durchhalten mache nur Sinn, wenn es eine „reelle Wahlchance“ gebe, die nun „leider nicht mehr existiert“, so die Juristin zum Ende ihrer hier nachzulesenden Ausführungen. Das Verfahren der Richterwahl solle in Zukunft mit „mehr Verantwortungsbewusstsein“ praktiziert werden. Lasse sich hingegen die Politik „auch künftig von Kampagnen treiben“, so drohe eine nachhaltige Beschädigung des Verfahrens.
Mit ihrem Rückzug könnte nun eine Lösung des innerkoalitionären Streits um die Neubesetzung der freigewordenen Richterstellen am Bundesverfassungsgericht näher rücken. In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause war es zum Eklat gekommen, als die Richterwahl kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden war. Zuvor hatten Unionsabgeordnete signalisiert, nicht für Brosius-Gersdorf stimmen zu wollen. Der Streit darum hatte eine erste größere Koalitionskrise ausgelöst. Zuletzt hatten Politiker von CSU und SPD laut darüber nachgedacht, alle drei Richterkandidaten neu auszusuchen. (DT/jra)
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