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Bibel-Tweet laut Berufungsgericht keine „Hass-Rede“

Ein Berufungsgericht in Helsinki hat die Parlamentsabgeordnete Päivi Räsänen und den Bischof Juhana Pohjola freigesprochen.
Ehemalige finnische Parlamentsabgeordnete Päivi Räsänen
| Räsänen zeigte sich „sehr erleichtert“ nach dem Urteil. „Das Urteil erkennt die Bedeutung der Meinungsfreiheit für uns alle.“

Das Berufungsgericht Helsinki hat einstimmig alle Anklagepunkte gegen die finnische Parlamentsabgeordnete Päivi Räsänen und den lutherischen Bischöfe Juhana Pohjola abgewiesen. Die Anklage wegen angeblicher „Hassrede“ aufgrund öffentlich getätigter christlicher Äußerungen wurde im August in dieser zweiten Instanz verhandelt. Dies teilt die christliche Anwaltsvereinigung „ADF International“, die Räsänens Verteidigung koordiniert hatte, am Dienstag auf ihrer Homepage mit. 

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Das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt den ebenfalls einstimmigen Freispruch des Bezirksgerichts vom März 2022 und weist die Argumente der Staatsanwaltschaft zurück. Das Berufungsgericht stellte fest, dass es „auf der Grundlage der in der Hauptverhandlung vorgelegten Beweise keinen Grund hat, den Fall anders zu beurteilen als das Bezirksgericht. Daher gibt es keinen Grund, das Urteil des Bezirksgerichts zu ändern“. Die Staatsanwaltschaft, die zur Zahlung der Anwaltskosten verurteilt wurde, kann bis zum 15. Januar 2024 ein letztes Mal Berufung beim Obersten Gerichtshof einlegen.

Wegen „Aufwiegelung gegen eine Minderheit“angeklagt

Die ehemalige finnische Innenministerin Päivi Räsänen wurde 2021 wegen „Aufwiegelung gegen eine Minderheit“ im Rahmen eines Abschnitts des finnischen Strafgesetzbuchs mit der Überschrift „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt. Sie hatte im Jahre 2019 in einem Tweet und in einer Live-Rundfunkdiskussion sowie in einer kirchlichen Broschüre von 2004 ihre Glaubensüberzeugungen zu Ehe und Sexualethik geteilt. Bischöfe Pohjola wurde wegen der Veröffentlichung von Räsänens Broschüre aus dem Jahr 2004 angeklagt. 

Im Prozess argumentierte Staatsanwältin Anu Mantila, dass „man die Bibel zitieren kann, aber Räsänens Interpretation und Meinung dazu kriminell“ seien. Hintergrund und Motivation von Räsänens Aussagen waren für die Staatsanwältin irrelevant: „Der Punkt ist nicht, ob es wahr ist oder nicht, sondern, dass es beleidigend ist.“ Räsänen hätte wissen müssen, so die Staatsanwältin, dass ihre Worte gegenüber bestimmten Menschen beleidigend sein könnten. Deswegen hätte sie von den Aussagen absehen müssen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die behauptete Aufwiegelung nur strafbar sei, wenn sie vorsätzlich begangen worden wäre.

Nicht Sache des Bezirksgerichts, über biblische Konzepte zu urteilen

Die Verteidigung betonte den starken Schutz für die Meinungsfreiheit in den international anerkannten Menschenrechten. Das Gericht folgte der Verteidigung: Es muss „einen zwingenden Grund für die Beeinträchtigung und Einschränkung der Meinungsfreiheit geben.“ Dass es im vorliegenden Fall keine solche Rechtfertigung gibt, hatte schon das Bezirksgericht festgestellt: „Es ist nicht Sache des Bezirksgerichts über biblische Konzepte zu urteilen.“

Räsänen zeigte sich „sehr erleichtert“ nach dem Urteil. „Das Urteil erkennt die Bedeutung der Meinungsfreiheit für uns alle.“ Und sie fügte hinzu: „Es ist kein Verbrechen, einen Bibelvers zu twittern oder sich an einer öffentlichen Diskussion mit einer christlichen Perspektive zu beteiligen. Die Versuche, mich wegen der Äußerung meiner Überzeugungen strafrechtlich zu verfolgen, haben mir vier sehr schwierige Jahre beschert. Ich hoffe, dass das Ergebnis als wichtiger Präzedenzfall für den Schutz der freien Meinungsäußerung gelten wird“, sagte die ehemalige finnische Innenministerin und Großmutter von elf Enkelkindern.  DT/jg

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