Künftig sollen Lehrerinnen in Berlin Kopftuch tragen dürfen. Und das ist richtig so. Ja, geradezu überfällig. Schon vor Jahren wurde festgestellt, dass das bisher in der Hauptstadt noch geltende sogenannte Neutralitätsgesetz verfassungswidrig ist. Nach dieser Regelung sollten die Beschäftigten in bestimmten staatlichen Institutionen auf das Tragen religiöser Symbole oder von Kleidung verzichten, in der ihre religiöse oder weltanschauliche Orientierung zum Ausdruck kommt. Dies sei unverhältnismäßig, hatten damals die Richter festgestellt. Jetzt werden nun endlich die Konsequenzen gezogen.
Und es geht ja eben nicht nur um das Kopftuch, auf dem nun die gesamte mediale Aufmerksamkeit liegt, sondern natürlich auch um christliche Symbole. Jetzt dürfen Berliner Lehrer auch ein Kreuz oder einen Fisch an einer Kette tragen. Die Vorstellung von Neutralität, die dem alten Gesetz zugrunde liegt, widerspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes. Religiosität ist demnach nicht eine Eigenschaft, die man je nach Bedarf ein- und ausknipsen kann. Sie ist vielmehr konstituierend für die eigene Persönlichkeit.
Religion ist keine Verkleidung, die man ablegen kann
Und mehr noch: Diese Gesellschaf will solche geprägten Persönlichkeiten. Denn sie weiß, dass diese unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Hintergründe eine Art Motor sind, die das soziale Leben antreiben – siehe Böckenförde-Diktum. Und natürlich erwarten wir von Menschen, die in staatlichen Institutionen arbeiten, dass sie diese Funktion nicht parteiisch im Sinne ihrer Religion ausüben. Hier gilt: Sie müssen sich an das Recht halten.
Das bisherige Neutralitätsgesetz geht aber letztlich davon aus, dass diese geforderte Einstellung so etwas wie eine Verkleidung sei, die man zur Arbeit überstülpt, indem man die religiösen Symbole ablegt. Tatsächlich geht es aber auch hier um eine Grundhaltung: Staatliche Bedienstete haben sich an die Gesetze zu halten. So wie andere Bürger auch – die legen ja auch nicht ihre Rechtstreue ab, wenn sie ein religiöses Symbol zeigen.
Und natürlich: Es gibt Fälle im islamischen Bereich, wo junge Mädchen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, obwohl sie es nicht wollen. Das darf man nicht ignorieren: Auch hier gilt die Religionsfreiheit, die eben auch eine Freiheit von Religion sein kann. Aber der Missbrauch eines Grundrechtes kann nicht ein Grundrecht in Frage stellen.
Vorsicht vor genereller Islamophobie
Schließlich sollten manche Christen in der Debatte aufpassen, dass ihre ja gut begründete kritische Grundperspektive auf den Islam nicht in eine generelle Islamophobie umschlägt. Es gibt immer wieder Beispiele dafür, wo diese Kritik sogar so weit geht, dass man irgendwann in das liberale Horn tutet und dem alten Vorurteil der vermeintlichen Aufklärer folgt, Religion habe eben grundsätzlich immer etwas Repressives an sich.
Besonders tragisch dabei: In der Regel merken es die Betroffenen in ihrer maßlosen Islam-Wut gar nicht. Stattdessen sollten Christen darüber nachdenken, ob die fromme Muslima mit Kopftuch nicht in fast allen gesellschaftspolitischen Fragen – von der Wertschätzung der Ehe, der Familie bis zum Schutz des ungeborenen Lebens – tendenziell eher eine potentielle Bündnispartnerin ist.
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