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Beeindruckende Rede

Ukraine-Krieg: US-Präsident Joe Biden zieht in Warschau Zwischenbilanz nach einem Jahr.
Joe Biden hält eine Rede in Warschau
Foto: Evan Vucci (AP)

Dunkle Wolken hatten sich am frühen Dienstagabend über Warschau formiert, doch als US-Präsident Joe Biden vor dem Königsschloss und zahlreichen Zuhörern, darunter Polens Präsident Andrzej Duda und Premier Mateusz Morawiecki, ans Rednerpult trat – blieb es trocken. Eingerahmt von einer beeindruckenden Lichtshow in den Nationalfarben der Ukraine und musikalischen Effekten zog der 80-Jährige eine kämpferische Ein-Jahres-Bilanz von Putins Ukraine-Krieg, dem die NATO, angeführt von den Vereinigten Staaten, Paroli bietet. Vereint und standhaft. „Die Ukraine ist immer noch unabhängig und frei“, flüsterte Biden rhetorisch geschickt und bewies einmal mehr, dass er trotz mancher Spötter nicht nur „unfallfrei“ durch eine wichtige Rede kommen kann, sondern sogar ein subtiler, kluger und argumentativ-starker Redner ist – gerade dann, wenn es drauf ankommt.

Dabei betonte Biden, dass das Verhältnis des Westens anders ist, als es der russische Präsident Wladimir Putin in seiner Rede am gleichen Tag suggeriert hatte. „Die Vereinigten Staaten und die europäischen Nationen wollen Russland nicht kontrollieren oder zerstören“, so Biden, es sei auch kein Angriff auf Russland geplant gewesen. Allein verantwortlich für das tägliche Töten sei der Mann im Kreml. „Jeder Tag, an dem der Krieg weitergeht, ist seine Entscheidung. Er könnte den Krieg mit einem Wort beenden. Es ist ganz einfach.“

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Deutsche Sonderwege spielen in Osteuropa keine Rolle

 Doch Biden unterstrich: „Es besteht kein Zweifel: Das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zu unserem Nato-Bündnis und zu Artikel Fünf ist felsenfest. Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiets zu verteidigen.“ Eingängig und nachvollziehbar war Bidens Darstellung des ideologischen Kampfes, der derzeit auf der globalen Bühne stattfindet – demnach stehen die Vereinigten Staaten von Amerika für Demokratie, Menschenwürde und Freiheit, während Putin an der Spitze einer Diktatur steht und nur Zerstörung bewirke.

 Ob die Mehrheit derjenigen, die am Samstag in Berlin für den Frieden demonstrieren werden, diese Auffassung teilen? In Polen wie auch in anderen osteuropäischen Ländern spielen derartige deutsche Sonderwege keine Rolle – seien sie links- oder rechtspopulistisch motiviert, pazifistisch-naiv oder sogar religiös begründet. Dennoch darf man gespannt sein, was China Ende dieser Woche als Friedensinitiative präsentieren wird. Nicht weil Peking bei dem Krieg, der die Welt in Atem hält, ein neutraler Akteur wäre, sondern um zu sehen, wie „unabhängig und frei“ Wladimir Putin noch ist.  Joe Biden jedenfalls erhielt für seine klaren Worte mehrmals Applaus. Mit einem mehrmaligen „Gott segne Euch“ beendete er seine Rede. So stellt man sich einen verantwortungsvollen US-Präsidenten vor. (Mit Material von dpa)

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