Die Geschichte wiederholt sich: Viele dürften die Bilder Donald Trumps auf den Stufen der Treppe vor der Westfassade des US-Kapitols in Washington noch präsent haben, im schwarzen Anzug und mit roter Krawatte, die rechte Hand zum Schwur erhoben. Acht Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem Trump an jenem wolkenverhangenen 20. Januar in seiner Rede zur Amtseinführung verkündete, von nun an werde „America first“ die oberste Maxime sein – um sich sogleich in eine turbulente Präsidentschaft zu stürzen, die lange nicht einmal er selbst für möglich gehalten hatte.
Seitdem ist viel passiert: die Höhen und Tiefen der ersten Amtszeit, die bis heute nicht anerkannte Niederlage gegen Joe Biden 2020, der Sturm aufs Kapitol. Doch Trump behielt hartnäckig die Kontrolle über die Republikanische Partei. So gelang ihm im vergangenen Jahr das kaum für mögliche gehaltene Comeback.
Dolan: Trump könnte kleines Erweckungserlebnis gehabt haben
Heute, am 20. Januar 2025, wird Trump wieder den Amtseid ablegen. Im Vergleich zu 2017 könnten die Rahmenbedingungen unterschiedlicher kaum sein. Während vor acht Jahren noch über eine spärliche Besucherzahl diskutiert wurde, ist diesmal mit einer großen Anhängerschaft zu rechnen, die ihrem Idol Trump zujubeln wird, wenngleich die Zeremonie selbst kurzfristig wegen Eiseskälte ins Innere des Parlamentsgebäudes verlegt wurde. Doch anders als 2017 weiß der 78-Jährige eine Mehrheit des Volkes hinter sich – und geht bestens vorbereitet in die zweite Amtszeit im Weißen Haus.
Manches bleibt aber auch gleich: Abermals wird der New Yorker Kardinal Timothy Dolan das Eröffnungsgebet der Zeremonie sprechen. Der künftige Präsident sei jemand, der seinen christlichen Glauben ernst nehme, so die Position des New Yorker Geistlichen, der sich schon immer bestens mit dem gebürtigen New Yorker Trump verstand. „Ich glaube, er könnte ein kleines Erweckungserlebnis gehabt haben“, äußerte sich Dolan jüngst in einem Interview in Bezug auf die beiden gescheiterten Attentatsversuche auf Trump im vergangenen Sommer. „Halleluja, denn ich wüsste nicht, wie man ohne tiefen Glauben Präsident der Vereinigten Staaten sein kann.“
Zumindest in der Einschätzung, dass der Glaube dem künftigen Präsidenten eine Stütze bieten könne, dürfte Dolan richtig liegen. Denn auf Trump warten herausfordernde vier Jahre. Schon die wenigen Wochen zwischen seinem Wahlsieg im November 2024 und der Amtseinführung haben gezeigt, welche Themen zumindest die ersten Monate der zweiten Trump-Regierung prägen werden.
Zwei Lesarten zur Erklärung von Trumps geopolitischen Expansionsphantasien
Außenpolitisch steht der bald drei Jahre andauernde Krieg zwischen Russland und der Ukraine ganz oben auf der Tagesordnung. Ob Trump auf ein schnelles Ende des Krieges hinwirken kann – unter Bedingungen, die für die Ukraine akzeptabel sind? Das ist die Frage, die man sich derzeit gespannt stellt. Die nächsten Monate dürften Klarheit bringen. Darüber hinaus sorgte Trump zuletzt auch mit eigenen geopolitischen Expansionsphantasien für Aufruhr. So brachte er ins Spiel, das geostrategisch bedeutende Grönland von Dänemark zu kaufen – und schloss nicht aus, auch militärische Mittel einzusetzen; Kanada, so drohte er, könne der 51. US-Bundesstaat werden – und auch den Panamakanal solle wieder von den Amerikanern kontrolliert werden.
Zur Erklärung der Trump’schen Gedankenspiele gibt es mindestens zwei Lesarten: Die eine lautet, damit zeige der ehemalige Unternehmer schon vor Amtsantritt, wie gefährlich er in seiner zweiten Amtszeit werden könnte. Wie wolle man Putin glaubwürdig von seinem territorialen Großmachtstreben abhalten, wenn der US-Präsident selbst die gewaltsame Landnahme für sich ins Spiel bringt? Eine andere Lesart ordnet Trumps Äußerungen als das übliche Getöse ein, das man doch inzwischen von ihm gewohnt sein sollte. Das Motto: Bitte nicht alles auf die Goldwaage legen, was Trump sagt. Vielmehr müsse man ihn an seinen Taten messen.
Das führt zu einem weiteren Konfliktfeld: der Einwanderungspolitik. Erste Razzien gegen illegal Eingewanderte soll es bereits in den kommenden Tagen geben, berichteten US-Medien. Es stellt sich die Frage, ob Trump mit seinem Wahlversprechen ernst machen wird, Millionen Einwanderer ohne Papiere des Landes zu verweisen, zu „deportieren“, wie er es immer wieder ausdrückte. Ganz ohne Widerspruch wird ihm das kaum gelingen. Und der dürfte insbesondere auch von kirchlicher Seite kommen. Denn auch wenn die katholischen US-Bischöfe mehrheitlich konservativ geprägt und einem Präsidenten Trump gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen sind: Beim Streitthema Migration betonten sie stets, wie wichtig Nächstenliebe, Willkommenskultur und der Einsatz für die Schwächsten sei. Insbesondere der neue Washingtoner Erzbischof, Kardinal Robert McElroy, zeichnet sich hier durch eine entschiedene Haltung aus und bewies schon in der Vergangenheit, dass er nicht davor zurückschreckt, Trump Kontra zugeben. Und von der Spitze der Kirche kam schon eine persönliche Verurteilung: Eine „Tragödie“ wäre es, würde Trump tatsächlich als eine seiner ersten Amtshandlungen Migranten zurückschicken würde. „Er lässt die Armen die Rechnung für die ungleiche Verteilung zahlen“, so die Einschätzung von Papst Franziskus am Sonntagabend im italienischen Fernsehen.
Wie geht es weiter mit Elon Musk?
Und dann wäre da noch die über allem schwebende Frage: In welchem Maße wird Elon Musk, Tech-Unternehmer und reichster Mensch der Welt, die Präsidentschaft Trumps prägen? Seit Monaten geistert er eng an Trumps Seite durch den MAGA-Orbit, half dem Republikaner nicht unwesentlich im Wahlkampf und darf nun eine außerhalb der Regierung angesiedelte Behörde zur Regierungseffizienz (DOGE) leiten. Hält die geldschwere, mächtige Männerfreundschaft zwischen Trump und Musk überhaupt? Oder werden die zwei Alphatiere unweigerlich auf einen Bruch zusteuern? Dass Musk sogar die Macht hat, Flügelkämpfe innerhalb des MAGA-Lagers zu provozieren – und zu gewinnen – zeigt, wie groß sein Einfluss inzwischen geworden ist. So setzte er sich jüngst im Streit um Arbeitsvisa für hochqualifizierte Migranten gegen den migrationskritischen, nationalistischen Flügel der Trump-Anhänger durch.
Doch so schnell, wie man Trumps Gunst gewonnen hat, kann man sie auch wieder verlieren. Jüngst stellte sich heraus, dass Musk in Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon einen prominenten Gegner gefunden hat. Der Tesla-Gründer sei „ein wahrhaft böser, schlechter Mensch“, erklärte Bannon im Interview mit dem italienischen „Corriere della sera“. Er werde persönlich dafür sorgen, dass Musk bis zur Amtseinführung rausgeschmissen wird, so Bannon, der selbst keinen Posten in der künftigen Trump-Regierung bekleiden wird.
Intern dürfte Trump erst einmal daran gelegen sein, seine breite Anhängerschaft, die vielfältige, teils auch konträre Interessen vertritt, zusammenzuhalten. Das wird schon schwer genug – dürfte aber essenziell sein, um die Schlachten erfolgreich zu schlagen, die in den nächsten vier Jahren zweifellos auf den 47. US-Präsidenten zukommen werden.
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