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3.500 beim Marsch für das Leben: Köln setzt ein Zeichen

Den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens forderten am Samstag in Köln die 3.500 Teilnehmer des „Marsches für das Leben“. Eine Reportage.
Demonstration von Abtreibungsgegnern «Marsch für das Leben»
Foto: Paul Zinken (dpa) | „Wir sind prolife" hieß es am Samstag in Köln. Zum zweiten Mal fand dort der „Marsch für das Leben" statt.

Die Sonne scheint auf die Deutzer Werft, den Platz am Rhein, auf dem heute eine große Bühne steht. Mit roten und grünen Luftballons ist sie dekoriert. Wie im letzten Jahr, als der „Marsch für das Leben“ in Köln Premiere feierte, spielt dort die Gruppe „My coverband“. „Du bist ein Phänomen, ich brauche dich“, klingt es aus den Lautsprechern. Direkt am Ufer haben Lebensschutzorganisationen ihre Stände aufgebaut. Die „Jugend für das Leben“ ist vertreten, die „Stiftung Ja zum Leben“, und natürlich der Bundesverband Lebensrecht (BVL), Organisator dieses „Marsches für das Leben". Überall sieht man Helfer in grünen Westen beim Aufbauen, Schilder verteilen, Wasser ausschenken und Auskunft geben. Im Hintergrund steht der Kölner Dom. Direkt darüber, auf dem heute so klaren Himmel erscheint um Punkt 12 Uhr kurzzeitig eine Wolke, die die Form eines Kreuzes hat.

Wolke über dem Köln Dom
Foto: Hildegard Holly | Die wahre Heimat ist der Himmel. Wieso könnte man sich also im Leben noch Sorgen machen?

„Wir strahlen, wir leben, nicht, weil wir müssen, sondern weil es uns geschenkt wurde“, begrüßt nun Moderatorin Martina Hoppermann die Teilnehmer. „Und oben wird mitgefeiert.“ Immer mehr Gäste füllen das Feld unterhalb der Deutzer Brücke. „Wir hatten letztes Jahr eine aggressive Stimmung in der Stadt, die Oberbürgermeisterin hatte am Vortag gegen uns getweetet und die Polizei war unvorbereitet. Es sind sogar drei Teilnehmer zusammengeschlagen worden. Deswegen könnte es sein, dass Familien mit Kindern abgeschreckt sind zu kommen“, erzählt ein erfahrener Teilnehmer.

Cullen: Die „Gretchenfrage unserer Gesellschaft“

Felix aus dem Saarland von der „Jugend für das Leben " drückt jedem neu ankommenden Gast ein Fähnchen in die Hand. „Unterstütze das Leben“, steht darauf. Es ist nicht das erste Mal, dass der Student an dem Marsch teilnimmt: „Ich mache das, weil das Lebensrecht für mich das grundsätzlichste Gebot ist. Sowohl religiös als auch in der Gesellschaft. Ohne das fehlt uns ein fundamentales Verständnis von Menschenwürde.“ Eine junge Ordensschwester setzt ihre Sonnenbrille auf, vereinzelte Familien schlängeln sich mit Kinderwagen durch die Reihen. Rechts von der Bühne sieht man den Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp. Mitgenommene Klappstühle werden aufgebaut, Regenschirme als Sonnenschutz ausgeklappt, junge Helfer verteilen in überdimensionierten Pappkartons Schokoladen-Brötchen.

Und jetzt beginnen die Reden: „Die Lebensrechtsfrage ist die Gretchenfrage unserer Gesellschaft: Das ursprüngliche Menschenrecht ist das Recht auf Leben in allen Lebensphasen. Für uns fängt das Leben mit der Empfängnis an und hört mit dem natürlichen Tod auf. Wenn man dieses Recht nicht hat, hat man auch keine weiteren Rechte“, äußert Paul Cullen, Vorsitzender von „Ärzte für das Leben“ und hauptberuflich Medizinprofessor in Münster.  „Die Menschen werden eines Tages schockiert sein, dass es Abtreibungen gab.“ Am Rheinufer hält eine junge Frau ein vier Monate altes Baby in ihren Armen, so lange, bis die Eltern zurückkommen. „Du hast heute den schwersten Job abbekommen“, ruft ihr jemand scherzhaft zu. Dann spricht der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe. „Ich weiß, dass wir auf der richtigen Seite stehen. Darum komme ich immer wieder zum Marsch für das Leben. Ich will euch zeigen, dass es auch im Bundestag Leute gibt, die auf eurer Seite stehen. Wir bieten nicht die einfache Lösung an – wir kämpfen für das Leben“, versichert er der Menge – und erntet jubelnden Beifall.

Demonstranten fordern Abschaffung von Abtreibung und Euthanasie

Von den Gegendemonstranten ist im Moment nicht viel zu spüren. „Verpisst euch“, haben sie in grellen Rosa-Tönen am Rand der Versammlung einen Gruß auf dem Asphalt hinterlassen. 2.500 von ihnen waren angemeldet, gekommen sind nach Angaben der Polizei „augenscheinlich deutlich mehr“. Die Stimmung unter den Lebensschützern ist gut, vor allem sind viele junge Leute angereist. „Es ist schön zu leben, denn, da vorne ist meine Familie, ich bin Messdiener, und, ich kann schwimmen gehen! Let’s go!“, spricht der 19-jährige Fabian nun auf der Bühne. In seinem Tonfall schwingt viel Euphorie mit. Der junge Mann hat Trisomie 21 – und macht eine Ausbildung zum Kellner. „Ich möchte nicht, dass die Kinder vor der Geburt getötet werden. Das ist uncool. Und, ich möchte ein reines Herz haben.“ Die Herzen der applaudierenden Menge hat er sofort erobert. Als Zugabe ruft er noch drei Mal laut „Habt ihr gute Laune?“ ins Mikrofon.

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Punkt 14.01 Uhr ist die schwarze Musikbox im grauen Bollerwagen verstaut, und das große Banner, das am Kopf der Demonstration zu sehen ist, hat seine zehn Träger gefunden. „Ja zum Leben – für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie“ steht drauf. Langsam setzt der Zug sich in Bewegung. Vorne fahren fünf Polizeiwagen voraus. 3.500 Teilnehmer sind heute gekommen. Zeitgleich findet der „Marsch für das Leben“ in Berlin statt. Mit nach Angaben des BVL in der Spitze 5.000 Teilnehmern. „Das Licht wird die Dunkelheit überwinden. Guckt euch mal um, wie viele ihr seid. Danke für euer wundervolles Zeugnis! Das Licht ist stärker als die Dunkelheit“, hatte John Deighan, der Geschäftsführer der britischen „Society for the Protection of Unborn Children“ (Gesellschaft für den Schutz ungeborener Kinder) sich soeben an die Demonstranten gerichtet.

Freude über das Leben

Um 14.50 Uhr überquert man die Severinsbrücke. Die Sonne strahlt nun noch stärker, der hellblaue Himmel blendet schon fast ein bisschen. Auf der linken Fahrbahn läuft der Straßenverkehr regulär weiter, die rechte Fahrbahn steht den Demonstranten zur Verfügung. Dazwischen laufen die Straßenbahnschienen, über die immer wieder eine rote S-Bahn rollt – heute viel vorsichtiger als sonst. In einigen Autos hupen und winken die Fahrer, und zeigen „Daumen hoch“. Die Stimmung ist ausgelassen, gerade läuft „Sweet Caroline“ – und manche Schilder und Fähnchen wippen dazu im Takt. Ein älterer Mann hat locker seine Arme hinter dem Rücken gekreuzt. Fahne in der einen und Rosenkranz in der anderen Hand, murmeln er und seine Frau nun halblaute Gebete. Auf einmal stockt der Zug: „Wir werden mal wieder aufgehalten“, kommentiert eine Teilnehmerin fröhlich die Situation, und dreht schnell ein Video für ihre Familie. Der Grund ist bald gefunden: Am Brückenende haben ungefähr 50 Gegendemonstranten eine Sitz- und Stehblockade aufgebaut. 

„Die haben spitzgekriegt, dass wir auf die Severinsbrücke ausgewichen sind, und sind schnell hier hingelaufen“, erklärt Zugführer Clemens Neck die Situation. „Ursprünglich wollten wir ja über die Deutzer Brücke gehen, aber die ist total blockiert“. In der Ferne sieht man die Brücke nahe des Kölner Doms, auf der sich Polizeiautos stauen. Das Polizeiaufgebot ist heute hoch – genau wie angekündigt. Aus der Menge tanzender und farbenfroh gekleideter Lebensschützern stürmen nacheinander drei Gruppen Polizisten mit Sturmmasken hervor. Sharlin Casmer ist eine Rechtsanwältin aus der Nähe von Neuss. Sie ist heute dabei, weil sie es „wichtig findet, publik zu machen, dass das Leben im Mutterleib beginnt und es kein Recht dazu gibt, es zu töten“. Wie die meisten Teilnehmer nimmt sie die Unterbrechung gelassen – mit einem Lächeln. Ein junger Mann in grüner Weste nutzt das Stocken der Menge, und versucht mit Hilfe eines mechanischen Handzählers per Knopfdruck die Anzahl der Demonstranten festzustellen. Gerade hat er die 2.000 geknackt. „Wir machen das zu zweit, damit wir die Ergebnisse abgleichen können“, sagt er.

Polizei hat die Situation im Griff

Als es 20 Minuten später weitergehen kann, sieht man, wieso die zusätzlichen Polizisten kommen mussten: Marschgegner versammeln sich am rechten Brückengeländer und brüllen den vorbeiziehenden Demonstranten zu. „Raise your voice: My body, my choice“ und „Eure Kinder werden so wie wir“ lauten ihre Ausrufe. Die Sicherheitskräfte haben die häufig dunkel gekleidete und mit farbigen Haaren, Tattoos und Piercings gestylte Antifa von allen Seiten umstellt. Die Situation bleibt – abgesehen von vereinzelten Beleidigungen – friedlich. Es kann also weiter gehen: Unter der U-Bahn-Haltestelle „Severinsbrücke“ hindurch führt der Weg auf der Bundesstraße 55 auf gleichem Wege zurück über den Rhein zum Ausgangspunkt. Es ist 16 Uhr, die Teilnehmer sind zufrieden. „Ein Dank und Jubel geht an die Polizei“, fordert Hoppermann die Marschteilnehmer nochmal auf. Der Marsch ist friedlich verlaufen. „Wir werden nie verschwinden. Die Straßen sind unsere Medien“, hatte Cullen zu Beginn angekündigt. In Köln konnte man es sehen.

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