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Auf die Straße für das Leben

Der dritte „Marsch für das Leben“ in Köln stellt klare Forderungen an die Politik – und das trotz Rauchbombe und Blockadeversuch
Marsch für das Leben Köln
Foto: Imago/Panamapictures | Machten aus der Demonstration ein Fest für das Leben: ein Blick in die Menge in Köln.

Die Bühne auf dem Kölner Neumarkt ist aufgebaut. Über ihr schweben zwei Bündel roter Luftballons mit der Aufschrift „Wir lieben das Leben!“. Mitten in der Domstadt findet an diesem für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Samstagmittag zum dritten Mal der „Marsch für das Leben“ statt. Am Rand des abgesperrten und durch ein Großaufgebot der Polizei geschützten Platzes reihen sich die Stände der Lebensrechtsorganisationen: „Ärzte für das Leben“, „Jugend für das Leben“ und „Christdemokraten für das Leben“.

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Aus zwei großen Lautsprechern erschallt „Sweet Home Alabama“ über den Platz, gespielt von „Holzhauser Seven“, einer Band aus den Kreisen der Pro-Life-Bewegung. Freiwillige in grünen Westen, der Farbe des Veranstalters Bundesverband Lebensrecht (BVL), verteilen Brötchen, Wasser und Schilder. Auf ihnen sind Kinder mit Down-Syndrom abgebildet, darunter die Sätze: „Das Leben ist schön.“, „Jedes Kind will leben.“ oder „Ich bin besonders.“ Auf dem Gelände tummeln sich Priester in Soutane, Ordensfrauen im Habit, Mütter mit Kinderwägen, Jugendliche und Rentner. Ein breites Bündnis hat sich versammelt, um für den Schutz des Lebens auf die Straße zu gehen.

Klare Forderungen

Die Musik verstummt. Eine junge Frau im pink-weiß gemusterten Kleid, die Haare zu einem Zopf gebunden, tritt auf die Bühne. Gut gelaunt begrüßt Moderatorin Martine Hoppermann die Teilnehmer und bittet sie, näher an die Bühne zu kommen. In ihrer kurzen Ansprache verbindet sie Organisatorisches mit der Vorstellung des „Kampfrufs“ des diesjährigen Marsches: Angelehnt an den Ruf der Kölner Karnevalisten „Kölle Alaaf“ heißt er diesmal „Kölle Alive“.

Nach einer kurzen musikalischen Unterbrechung greift Paul Cullen zum Mikrofon. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht stellt klare Forderungen an die Politik: „Abtreibung verstößt gegen das Menschenrecht auf Leben.“ Kaum hat er diese Worte ausgesprochen, stimmt die Menge durch Jubel und Applaus zu. Er fordert eine lückenlose Statistik über Abtreibungen sowie die Erforschung ihrer Ursachen.

Zudem spricht sich Cullen für eine Qualitätsprüfung aller Stellen aus, die Schwangerschaftskonfliktberatungen durchführen. Grundlage aller politischen Entscheidungen müsse das Bewusstsein sein, dass das Menschsein mit der Zeugung beginnt. Nicht nur das ungeborene Leben nimmt der Mediziner in seiner Rede in den Blick. „Der assistierte Suizid ist eine Bankrotterklärung unserer Gesellschaft“, erklärt Cullen unter erneutem Beifall. Seine Forderung ist eine dauerhafte und solide Finanzierung der Suizidprävention sowie ein gesetzliches Verbot der begleiteten Selbsttötung.

Rauchbombe lässt Lebensrechtler kalt

Plötzlich verbreitet sich ein beißender Geruch, ein schrilles Geräusch ertönt und pechschwarzer Rauch steigt in den Himmel auf. Störer haben sich unter die Lebensrechtler gemischt und mitten in der Veranstaltung eine selbst gebastelte Rauchbombe platziert. Nicht weit daneben liegt ein eiförmiges, an einem Schlüsselring befestigtes elektronisches Gerät auf dem Boden, das wie eine Alarmanlage klingt. Ein Jugendlicher reagiert geistesgegenwärtig: Er packt die rauchende Chipsdose und bringt sie außerhalb des Geländes. „Das war einer von der Antifa“, vermutet ein Teilnehmer. Auf der Bühne geht das Programm unbeirrt weiter.

Rauchbombe
Foto: Jakob Naser | Schnell eingegriffen: Ein Jugendlicher entfernt die rauchende Chipsdose.

Sarah Göbel ist Hebamme und engagiert sich für „Patin für 9 Monate“, eine Initiative der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA), welche Frauen unterstützt, die ungewollt schwanger geworden sind. Auf der Bühne erzählt sie von ihren Erfahrungen in der Begleitung werdender Mütter. Ein bewegendes Beispiel ist der Fall einer Frau, deren Kind die Diagnose erhalten hatte, nicht lebensfähig zu sein. Alle Ärzte hätten geraten, abzutreiben, statt das Kind zur Welt zu bringen und den Zeitpunkt des natürlichen Todes abzuwarten. In einem solchen Fall würden „sehr viele Schwangere unter Druck gesetzt, doch schnell ein Ende zu machen“, sagt Göbel. Eine werdende Mutter brauche dagegen Zuspruch, Mut und eine Gesellschaft, die Kinder bejahe.

Ganz am hinteren Ende des Neumarkts hat sich eine Gruppe junger Männer versammelt. Über ihren Sakkos und Mänteln tragen sie rote Schärpen. Mitgebracht haben sie ein großes weißes Banner, auf dem „Beten und handeln, um die Sünde der Abtreibung zu stoppen – es funktioniert wirklich!“ zu lesen ist. Darüber weht die mit einem goldenen Löwen geschmückte rote Fahne der katholischen Laienorganisation „Deutsche Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ (TFP).

Matthias von Gersdorff ist erster Vorsitzender von TFP und seit den 1990er-Jahren in der Lebensrechtsbewegung aktiv. In Köln ist er dieses Jahr zum ersten Mal dabei. Für ihn ist es entscheidend, dass die Bewegung dauerhaft sichtbar bleibt. „Wir müssen in der Öffentlichkeit präsent bleiben. Nur so können wir irgendwann entscheidende Erfolge erzielen“, erklärt Gersdorff. Der Marsch in Köln sei ein Zeichen, dass das Lebensrecht immer stärker im Bewusstsein junger Menschen verankert sei: „Das Lebensrecht gehört quasi zum Credo der Jugend. Für viele ist es selbstverständlich, dass man sich engagiert.“

Menschen zurückführen zur Ordnung Gottes

Unter den Teilnehmern ist auch Kewin Mis. Er ist Gründer des Laienapostolats „Katholische Antworten“ und auf Youtube aktiv. Für ihn ist klar, warum er beim Marsch mitläuft: „Es ist ganz klar, dass wir für das Recht auf Leben einstehen müssen. Wenn diejenigen, die nicht ihre Stimme erheben können – in dem Fall die Ungeborenen – nicht vertreten werden können durch sich selbst, müssen wir das eben tun.“ Zur Situation der Lebensrechtsbewegung sagt Mis: „In der Gesellschaft stehen viele Lebensrechtler oft allein oder in kleinen Gruppen da. Deshalb müssen wir missionieren – die Menschen zurückführen zur Ordnung Gottes, damit jedes Leben respektiert wird.“

Es ist 14.30 Uhr, die Reden auf der Bühne sind vorbei, der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung. An der Spitze laufen Mitglieder der „Jugend für das Leben“ mit Bannern, auf denen „Gemeinsam für das Leben“ steht und das Gesicht eines kleinen Mädchens abgebildet ist. Begleitet von Gebet und Musik aus einem Lautsprecherwagen laufen die Lebensrechtler durch Köln. Während sich der Zug langsam über die Hahnenstraße bewegt, treffen sie auf Gruppen von Gegendemonstranten. „My body, my choice. Wir brauchen euch in Köln nicht!“, ruft ein älterer Mann, den Kapuzenpullover übergestreift, die Baseballcap tief ins Gesicht gezogen. In der Hand hält er einen Regenschirm, auf dem „Bunt statt braun“ steht.

Bunt sind auch die auf dem Schirm aufgemalten kleinen Figuren, die von einem Kleinkind gezeichnet sein könnten und eine Menschenkette darstellen sollen. Mit seinem in Richtung des Marsches ausgestreckten Mittelfinger zeigt er seine Empörung. Direkt neben ihm steht ein jüngerer Mann im weißen T-Shirt und mit Sonnenbrille, der in regelmäßigen Abständen in eine Trillerpfeife bläst. Einige Zeit später versuchen Aktivisten der Gegenseite, den Zug mit einer Blockade zu stoppen, doch die Polizei greift sofort ein und räumt die Straße.

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Nach ungefähr einer Stunde kehrt der Zug wieder zum Neumarkt zurück. Moderatorin Martine Hoppermann bedankt sich bei der Polizei, die für Sicherheit gesorgt hat. Auf der Bühne stimmt die Band ihr letztes Lied an, während auf dem Platz noch Gruppenfotos geschossen werden. Der Marsch ist beendet, doch das Ringen um das Recht auf Leben geht weiter.

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