Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute die vom Deutschen Bundestag beschlossene Triage-Regelung des „Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG)“ für mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher für nichtig erklärt (1 BvR 2284/23). Wie das Gericht heute in Karlsruhe mitteilte, fällt der achtköpfige Senat die Entscheidung mit sechs gegen zwei Stimmen.
Hintergrund: Im Dezember 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, „unverzüglich“ Sorge dafür zu tragen, dass Menschen mit Behinderungen „bei der Verteilung knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen“ nicht benachteiligt würden. Daraufhin verabschiedete der Bundestag im November 2022 eine Novelle des IfSG, das die sogenannte Ex-post-Triage verbot. Von einer Ex-post-Triage spricht man, wenn bei einem Patienten eine bereits begonnene Behandlung zugunsten eines neu eingetroffenen Patienten abgebrochen wird, mit der Begründung, der neu eingetroffene Patient weise bessere Überlebenschancen auf. Dagegen wiederum hatten Intensiv- und Notfallmediziner geklagt. Nach ihrer Ansicht sei das Verbot der Ex-Post-Triage ein unzulässiger Eingriff in ihre Berufsfreiheit.
Karlsruhe: Bund fehlt Gesetzgebungskompetenz – Zuständigkeit liegt bei den Ländern
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts gab dem nun statt. Nach Ansicht der Richter greife das Gesetz in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz gewährleiste, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrer beruflichen Tätigkeit frei von fachlichen Weisungen seien und schütze – im Rahmen therapeutischer Verantwortung – auch ihre Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ einer Heilbehandlung. Die Regelungen des § 5c Absätze 1 bis 3 IfSG schränkten die Therapiefreiheit ein und beeinträchtigten damit die Berufsausübungsfreiheit. Ein solcher Eingriff sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, so die Richter.
Zudem fehle es bereits an der formellen Verfassungsmäßigkeit. Denn der Bund besitze für die angegriffene Regelung überhaupt keine Gesetzgebungskompetenz. Nach der aktuellen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes seien es die Länder, die „maßgeblich die Verantwortung für diskriminierungssensible Allokationsregeln“ trügen und „länderübergreifend tragfähige Entscheidungen ermöglichen“ müssten, so die Richter weiter. (DT/reh)
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