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Rheinisches Düren: Spurensuche in der Heimat

Warum in die Ferne schweifen? Ein Tagesausflug rund um das rheinische Düren führt tief in die Geschichte des christlichen Mittelalters.
Bronzestatue des heiligen Apostel Matthias  im Wald von Merode
Foto: Andreas Drouve | An dieser Stelle im Wald von Merode soll der hl. Apostel Matthias 1340 dem Grafen Werner von Merode erschienen sein. Eine Bronzeskulptur des Apostels kennzeichnet die Stelle.

Es ist nur ein kleiner Radius um die rheinische Kreisstadt Düren, der auf die Spuren von zwei Heiligen bringt. Fünf Kilometer nördlich liegt die Heimat und Begräbnisstätte des Arnold von Arnoldsweiler, der sich im Frühmittelalter für die Armen einsetzte. Dagegen soll etwa zehn Kilometer südwestlich der Apostel Matthias im Forst von Merode erschienen sein und den Bau eines prächtigen Kreuzherrenklosters bewirkt haben.

Stolz und erhaben steigt der Backsteinturm der Kirche Sankt Arnold aus der Ortsmitte von Arnoldsweiler. Bereits aus der Ferne setzt er eine Landmarke, während im Hintergrund der Braunkohletagebau wie eine Großwunde klafft. Im Schatten des großen Kirchbaus liegt ein kleinerer und älterer, der es hinter seiner Bruchsteinfassade buchstäblich in sich hat: die Arnolduskapelle. Hier betritt man ein sakrales Juwel, eines der schönsten im Rheinland – mit dem Grab des heiligen Arnold, der etwa 843 verstarb. Den Schlüssel zum Allerheiligsten hat Schwester Theresia Margareta (60), die nahebei in einer Vierer-Gemeinschaft der Armen Schwestern vom heiligen Franziskus im ehemaligen Pfarrhaus wohnt.

Sänger und Harfenspieler am Hof Karls des Großen

Über Arnold haben Flechtwerke aus Geschichte und Sage nur wenige Lebenssplitter zusammengetragen. Er stammt aus schlichten Verhältnissen und schafft es als Sänger und Harfenspieler an den Hof Karls des Großen. Doch entfremdet er sich nicht vom einfachen Volk. Sein Herz schlägt für die Notleidenden. Legendär ist sein Ritt um den Bürgewald. Dabei erbittet Arnold von Kaiser Karl so viel Forstland nutzen zu dürfen, wie er während eines Gastmahls im Dorf Genetsweiler – dem späteren Arnoldsweiler – umreiten kann. Der Herrscher willigt ein. Arnolds Pferd fliegt regelrecht davon, unterwegs kerbt er mit dem Schwert Markierungen in die Bäume. Das Ergebnis: Arnold schafft es um ein riesiges Waldgebiet, das er den ärmlichen Gemeinden im Umland überlässt, um dort nun das so wichtige Brennmaterial zu schlagen.

Das Volk machte Arnold zum Heiligen. Seine letzte Ruhe fand er in der Arnolduskapelle. Ob der später vielfach beschädigte und veränderte Sakralbau von ihm selbst begründet wurde, ist ungewiss. Überzogen ist die Kapelle mit farbigen Fresken von Peter Hecker (1884-1971). Unter den Motiven findet sich Arnold mit der Harfe in Händen, wie es auch das Ortswappen zeigt. Im Gewölbe über dem spätgotischen Steinsarkophag, der den Reliquienschrein enthält, musizieren Engel in einem türkisfarbenen Sternenhimmel. Die Liegendfigur auf dem Hochgrab zeigt den bärtigen Heiligen in höfischer Tracht.

Obgleich sie schon unzählige Male hier gewesen ist, kann sich Schwester Theresia Margareta der Faszination der Kapelle und ihrer Raumwirkung nicht entziehen. „Es gibt nichts Schöneres, als in diesem Heiligtum Dienst zu tun“, sagt sie. Den Heiligen bewundert die Schwester für „die Vehemenz“, mit der er sich für die Armen einsetzte. Zudem sei er Patron „für eine gute Sterbestunde“, setzt sie hinzu und händigt zum Abschied ein Gebetskärtchen aus: „Allmächtiger und barmherziger Gott, du hast dem heiligen Arnold die Gnade geschenkt, dein Lob zu singen und in den Armen Christus zu erkennen und zu verehren. Mach uns auf seine Fürbitte treu im Glauben und beharrlich in der Liebe, damit wir an der Herrlichkeit Anteil erhalten, die er erlangt hat.“

Im Auftrag des Apostels

Orts- und Szenenwechsel: hinein in die Stille und Einsamkeit im Wald von Merode. Es riecht nach Fichten. Vögel zwitschern. Hier also war es. Hier zeigen ein Denkmal und eine Tafel die Stelle im Forst an. Darauf steht zu lesen: „Im Jahre 1340 erschien der Apostel Matthias dem erlauchten Herrn Werner von Merode, als dieser von der Jagd ermüdet schlief.“ Danach geht der Text mit einem Zitat des Heiligen ins Detail: „Er sprach zu ihm folgende Worte: ,Kennt ihr mich nicht, Werner? Ich bin Matthias, der Apostel Christi, ich komme, euch den Willen Gottes zu verkünden. Ihr sollt an dieser Stelle mir zur Ehre eine Kirche bauen und ein Kloster, in welchem Mönche aus dem Orden, in dem diese hier in ihrem Leben gewesen sind, Gott und mir dienen.“ Dem besseren Verständnis halber sei hinzugefügt, dass in jenem Moment einige Männer in ihrer Ordenstracht hinter Matthias standen: die Kreuzherren.

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Wer sich auf die Spurensuche der Erscheinung begibt, stellt sein Fahrzeug an der Straße nach Schevenhütte auf dem Wanderparkplatz Haus Hardt ab. Ab dort führt ein einfach begehbarer Weg an Buchen und Eichen längs, an Ginstersträuchern und Nadelbäumen. Wurzelwerke winden sich wie Tentakel über den Boden. Nach etwa zwei Kilometern taucht rechts die kreuzgekrönte Gedenkstelle für Matthias auf, bekannt als „Matthias-Kapellchen“. Hinter dem Schutzgitter eines schmalen, hohen Steinmonuments ist der Apostel als Metallskulptur zugegen und erinnert an die Erscheinung im Traum des Grafen von Merode. Daneben laden zwei Bänkchen und ein Tisch zu einer Rast ein. Doch wie war das mit Matthias‘ Aufruf, ein Kloster für die Ordensleute, die ihn begleiteten, ins Leben zu rufen?

Welche Gründung gemeint war, zeigt sich nicht direkt an der Matthias-Gedenkstelle, sondern etwa 200 Meter weiter, nach einem scharfen Links-Rechts-Knick des Weges. Es ist das Kreuzherren-Kloster von Schwarzenbroich, für dessen Anlage ein großes Waldstück gerodet werden musste. Die ersten Ordensbrüder kamen dem Vernehmen nach aus Belgien hierher.

Die Aura des Heiligen

Im Spätmittelalter war die Gegend als Matthias-Tal bekannt und lag an der sogenannten „Münsterstraße“ zum Heiligtum Kornelimünster, wo eine Reliquie des Papstes Kornelius (Amtszeit 251-253) Verehrung genoss. Die „Münsterstraße“, die am Hang der westlich angrenzenden Hügel um einen Sumpf herumführte, fungierte zudem als Verbindungsachse weiter nach Aachen. Der Wohlstand des Klosters vermehrte sich rasch, der Einfluss stieg. Doch auf die Höhen folgten Tiefen, darunter Zerstörungen während des Dreißigjährigen Krieges. Schwarzenbroich war ein Leben bis zur Wende vom 18. ins 19. Jahrhundert beschieden. Lange nach dem Weggang der letzten Mönche griff eine Feuersbrunst um sich. Im Zweiten Weltkrieg folgten ultimative Zerstörungen. Heute führen vom Wanderweg – vom „Matthias-Kapellchen“ her kommend linker Hand – schmale, unausgeschilderte Zugänge zu den Ruinen. Morsche Äste knacken unter den Sohlen, dann türmen sich 20, 30 Meter abseits vom Wanderweg meterhohe Mauern auf, über die sich Efeubeläge ziehen. Frei steht eine Fassade mit einem Portal. Auf kleinen, verstreuten Steinresten wuchert Moos. Gespenstisch.

Bleibt zum Abschluss die Frage: Wie steht es um den Wahrheitsgehalt der Erscheinung des Apostels Matthias? Auf halber Strecke des Rückwegs zum Parkplatz Haus Hardt findet sich dazu ein weiteres Schild, das ein wenig ernüchtert. Die Sage, so heißt es, habe „der Mönch Thomas Franck um 1610 zum ersten Mal aufgeschrieben und im Zeichen der Zeit glorifiziert“. Doch spielt das eine Rolle? Der Ausflug in die Natur mit der Aura des Heiligen ist jeden Schritt und Augenblick wert.

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