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Kloster Igny: Ein Kloster am Ende der Welt

Ein Zisterzienserinnenkloster in der tiefsten Champagne: Im malerisch gelegenen Notre Dame du Val d`Igny sind alle willkommen, die ihre Suche nach Gott vertiefen wollen.
Notre Dame du Val d'Igny
Foto: Wikicommons

In turbulenten Zeiten erscheint es wichtiger denn je, Orte zu finden, die zu Refugien werden und helfen können, das rechte Maß wiederzufinden. Klöster können solche Orte sein, denn dort gelten andere Regeln und Maßstäbe als in Alltag und Beruf. Das Maß aller Dinge ist hier Gottes barmherzige und allumfassende Liebe zu allen Menschen. Diese Liebe scheint an diesem Ort durch die Schwestern hindurch und erreicht diejenigen, die sich diesem Geist der Gottessuche und seiner Nähe öffnen, jenseits aller Äußerlichkeiten und aller Oberflächlichkeit.

Hier sind tatsächlich alle willkommen, diejenigen, die ihre Suche nach Gott vertiefen wollen und jene, die noch auf der Suche sind nach Sinn und Verbindlichkeit. Der christliche Glaube und seine Hoffnung leben von der Sehnsucht nach dem Unvergänglichen und nach Leben, das keinesfalls im Nichts endet. Davon bekommt man hier eine leise Ahnung.

Im tiefsten Tal der Champagne

Das Kloster „Notre Dame du Val d'Igny“ befindet sich in einem malerischen Tal in der tiefsten Champagne. Etwas über 40 Zisterzienserinnen erfüllen diesen Ort mit Geist und Leben. Bei der Ankunft an einem sonnigen Tag wird man auf das Herzlichste von einer betagten, aber sehr aktiven und lebhaften Schwester empfangen und erhält eine anregende Führung durch die gesamte Klosteranlage, bevor man in die einfachen, aber gemütlichen Zimmer geführt werden. Insgesamt stehen hier 19 Zimmer für die Aufnahme der Gäste zur Verfügung. Vor einigen Jahren wurde das Klostergebäude aufwändig renoviert, aber der Charme einer Zisterzienserabtei blieb erhalten. Die Erneuerung wurde notwendig. Warum? Weil im Jahr 2007 im Rahmen einer Neustrukturierung der Zisterziensergemeinschaften im Nordosten Frankreichs im Val d'Igny drei Gemeinschaften zusammengelegt wurden.

Das Besondere der Zisterzienserarchitektur ist glücklicherweise geblieben: Es besteht darin, das Schlichte mit dem Sakralen, dem auf eine andere Realität Hinweisende, zu verbinden. Auf diese Weise wird der Betrachtende nicht von der inneren Einkehr abgelenkt und fühlt sich doch aufgehoben im sakralen Raum.

Ora et Labora

Die tägliche Messe findet in Anschluss an die Laudes, das Morgengebet, statt. Dies ermöglicht dem Gast auch touristische Exkursionen neben dem Auftanken im spirituellen Bereich. Weitere wichtige Gebetszeiten sind die Vesper, die im Allgemeinen um 17.30 Uhr stattfindet und die Komplet, die den Tag für die Schwestern um 19.45 Uhr beschließt. Nach diesem Gebet herrscht im Kloster Nachtruhe, das bedeutet, dass die Schwestern im Allgemeinen nicht mehr miteinander kommunizieren. Das Stunden- oder Chorgebet bildet das Zentrum der benediktinischen und zisterziensischen Frömmigkeit und somit auch des Lebens aller Zisterzienser. Daneben spielen die Verbindung und Ergänzung des Prinzips „Ora et Labora“ – „Bete und Arbeite“ und die Aufnahme der Gäste eine große Rolle im klösterlichen Leben. Die Regel des Heiligen Benedikt schreibt vor, dass ein jeder Gast wie Christus selbst empfangen werden solle. Diese Erfahrung lässt sich in Benediktiner- und Zisterzienser-Abteien, vor allem jedoch in französischen Klöstern machen. Eine der Schwestern vom Val d'Igny sagte einmal vor einigen Jahren, dass der Friede Gottes, der sich an diesem Orte ausbreite, alle Menschen, egal ob gläubig oder noch nicht, ergreife und berühre.

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Die Liturgie der Schwestern ist harmonisch und lebendig. Sie stellt so auf ihre Art eine angenehme Ergänzung zur traditionellen Liturgie dar, die sich an der Gregorianik orientiert und die Gebetszeiten vieler Klöster dominiert. Die Schwestern nehmen mit Leidenschaft und Begeisterung an den Gebeten teil und reißen den Besucher dabei als Gast und Betenden mit. In der Regula Benedicti, der Regel des Heiligen Benedikts, die auch für die Zisterzienser maßgeblich ist, heißt es dazu: „Nichts soll dem Lob Gottes vorgezogen werden.“ (RB 43,3)

Attraktiver Klosterladen

Die Grundideale der Zisterzienser lassen sich wie folgt zusammenfassen: Abgeschiedenheit von der Welt, daher größtenteils sehr abgelegene Niederlassungen, umgeben von Wäldern und oft auch von Flüssen; Leben von der eigenen Hände Arbeit, um eine größtmögliche Autonomie zu gewährleisten; Aufnahme von Gästen, aber auch Obdachlosen, für einen begrenzten Zeitraum; Ora et Labora: Gebet und Arbeit geben dem Leben einen gottgewollten Rhythmus und eine erfüllende Struktur.

Im Val d'Igny bieten die Schwestern in ihrem attraktiven Klosterladen eine reiche Auswahl von lokalen Köstlichkeiten an. Vor allem natürlich Champagner, aber auch selbst gestaltete „Bouchon de Champagne“, Champagnerkorken bestehend aus „Marc de Champagne“ und Zartbitterschokolade. Diese werden nach ganz Europa exportiert. Darüber hinaus gibt es vom Seidenschal aus Indien, über Bücher und Kunstpostkarten und erlesener Kosmetik aus verschiedenen französischen Klöstern, vieles, was das Herz und der Gaumen begehrt. Jedoch: Gerade in Frankreich leben die meisten Klöster auch von der Gastfreundschaft, die in vielerlei Hinsicht einen Gewinn für sie bedeutet: Ohne diese Einnahmen könnten sie nur schwer existieren, denn in Frankreich gibt es keine „Kirchensteuer“.

Gäste als Bereicherung

Die Gespräche und der Austausch mit den Gästen stellen auch für die Ordensleute sehr oft eine Bereicherung und Ergänzung ihrer Berufung dar. Als Gast und interessierter Zuhörer stößt man andererseits auf interessante und keinesfalls geradlinige Biografien der Ordensleute. Vertrauensvolle Gespräche mit Ordensleuten helfen mitunter aus festgefahrenen Lebenswegen herauszufinden, im Lichte des Glaubens und mithilfe der Glaubenszeugnisse von Ordensleuten. Daraus kann eine Verbundenheit entstehen, die eine wirkliche Nachhaltigkeit besitzt, in einer Zeit der Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit.

In Krisenzeiten sind Beziehungen, die den Kern des Menschen berühren, unermesslich wertvoll. Dies im Vertrauen darauf, als Mensch mit Ecken und Kanten wahr- und angenommen zu sein: Welch ein Schatz, ganz besonders in diesen Zeiten. Ein jedes Kloster besitzt ein „Alleinstellungsmerkmal“. Hier, im Val d'Igny, ist es die Begeisterung, mit der zahlreiche bereits betagte Schwestern ihre Gäste aufnehmen, willkommen heißen und in ihren Klosteralltag integrieren. Trotz der Pandemie wird man, bei allen nachvollziehbaren Vorsichtsmaßnahmen, nicht als Gefahr oder gar Angriff auf ihre Gesundheit angesehen, sondern mit dem benediktinischen Maß der Mitte als Gäste und Brüder und Schwestern des einen Herren aufgenommen.

Ruhe und Gastfreundschaft

Jeder, der Ruhe, Besinnung auf das Wesentliche und echte Gastfreundschaft erleben will, sollte die Reise zum Val d'Igny antreten. Der weitläufige Klostergarten und die nähere Umgebung laden zu ausgedehnten und malerischen Spaziergängen ein. Der Genuss des lokalen Champagners, den man im Klosterladen oder den umliegenden Dörfern kosten, genießen und erstehen kann, erleichtert die Entscheidung für einen Aufenthalt an diesem Ort sicher nicht unwesentlich. Ausflüge nach Pierrefonds, zu einer beeindruckenden Schlossanlage aus dem 19. Jahrhundert, umgeben von einem malerischen Park, oder nach Reims mit seiner beeindruckenden Kathedrale und der pittoresken Altstadt, sollten eingeplant werden.

Last not least: Als allerwichtigstes Reisesouvenir hat man wieder einmal die Gewissheit mitgenommen, als gläubige Menschen nicht allein auf der Pilgerreise unterwegs zu sein, die sich Leben nennt.

 

 

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