Anlässlich des diesjährigen Schaltjahrs, in dem das Erscheinen der „Tagespost“ diesmal auf den 29. Februar fällt, der nur alle vier Jahre im Kalender steht, beschäftigt sich die katholische Wochenzeitung quer durch alle Bücher mit dem Phänomen Zeit. Im Ressort „Glaube & Wissen“ geht der Wissenschaftsjournalist und Tagespost-Korrespondent Stefan Rehder dabei der Frage nach, ob es Zeit überhaupt gibt und falls ja, wo und wie. Dabei zeigt er nicht nur, wer sich binnen der letzten zweieinhalb Jahrtausenden des Nachdenkens über die Zeit eingehend mit dem rätselhaften Phänomen beschäftigt hat. Ausführlich stellt er auch eine Theorie der Zeit vor, die zu den originellsten überhaupt gehört und bis auf den heutigen Tag leidenschaftlich diskutiert wird.
Was Augustinus über die Zeit zu wissen glaubte
Und das obwohl sie von einem katholischen Bischof des 4. Jahrhunderts entwickelt wurde. Die Rede ist von der Zeitkonzeption des heiligen Augustinus (354–430). Niederlegt im elften Buch seiner „Confessiones“ entwickelt der Bischof von Hippo dort im Gespräch mit Gott eine Konzeption der Zeit, die selbst von modernen Kritikern wie Ludwig Wittgenstein (1889–1951) und Bertrand Russell (1870–1970), einem notorischen Atheisten, bewundert wurde.
Eine Theorie, die selbst Langeweile und Kurzweil zu erklären vermag
Demnach ist Zeit eine Abstraktion, dies es in der Natur gar nicht gibt. Laut Augustinus konstituiert die tätige Seele durch Erwartung, Inaugenscheinnahme und Erinnern tatsächlicher Ereignisse die Zeitdimensionen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Im Fluss der durch die tätige Seele so erst „erschaffenen“ Zeit, erlebt der Mensch diese, weil sein Geist die Eindrücke, die das Gewahrwerden der Ereignisse (ihr Werden und Vergehen) in ihm erzeugen, vergleichend misst. Auf diese Weise „zeitigt“ (Martin Heidegger) das menschliche Bewusstsein die Welt der Ereignisse.
Während die mechanische Maschinenzeit der Uhr immer im gleichen Takt „verstreicht“, vermag die Zeittheorie des heiligen Augustinus auch zu erklären, warum Menschen eine Maschinenzeit-Stunde Langeweile (wenig wahrgenommene Ereignisse, wenig Eindrücke) als „quälend lang“ empfinden, während sie eine Maschinenzeit-Stunde Kurzweil (viele wahrgenommene Ereignisse, viele Eindrücke) als „unverschämt kurz“ zu erachten pflegen. DT/reh
Wie Augustinus darauf kam und was ihn dazu brachte, seine Theorie der Zeit, so und nicht anders zu entwickeln, erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.