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Ayaan Hirsi Ali: von der Atheisten-Ikone zur überzeugten Christin

Für ihr Bekenntnis zum Atheismus erhielt die Islamkritikerin und Frauenrechtlerin sogar eine Auszeichnung. Nun hat sie sich dem Christentum zugewandt. Doch einige sind überzeugt, dass es sich dabei nur um einen Missbrauch des Glaubens als kulturelle Waffe handelt.
Die berühmte Islam-Kritikerin, Politikerin und Feministin Ayaan Hirsi Ali
Foto: IMAGO/JANERIK HENRIKSSON / TT (www.imago-images.de) | Der Versuch, in der „auf Regeln basierenden liberalen internationalen Ordnung" Trost zu finden, sei unzureichend, meint Ayaan Hirsi Ali.

Für die weltweite Gemeinschaft überzeugter Atheisten dürfte es ein Erschüttern ihres Glaubensbildes gewesen sein: Die berühmte Islam-Kritikerin, Politikerin und Feministin Ayaan Hirsi Ali, eine Ikone der Atheisten, ist vom Glauben an die nicht-Existenz Gottes abgefallen. Stattdessen bekennt sie sich nun zum Christentum, wie sie sowohl auf dem sozialen Netzwerk Instagram, als auch auf der Seite des britischen Mediums UnHerd bekanntgab. 

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Dort erklärt sie in Anlehnung an den Vortrag des Religionskritikers Bertrand Russell „Warum ich kein Christ bin“, der sie nach ihrer Abwendung vom Islam stark geprägt habe, warum sie jetzt Christin ist: Die westliche Zivilisation, so ist Ali überzeugt, werde von drei Kräften bedroht: Vom Wiederaufleben des Autoritarismus und Expansionismus durch Mächte wie China oder Russland, vom globalen Islamismus und von der Verbreitung der „Woke“-Ideologie. Diese Bedrohungen durch säkulare Mittel abzuwehren, sei gescheitert. Der Versuch, in der „auf Regeln basierenden liberalen internationalen Ordnung" Trost zu finden, sei unzureichend. „Die einzige glaubwürdige Antwort liegt meines Erachtens in unserem Wunsch, das Erbe der jüdisch-christlichen Tradition zu bewahren“, resümiert die 54-Jährige.

Leben ohne spirituellen Trost als unerträglich empfunden

Dem Verdacht, dass die gebürtige Somalierin das Christentum lediglich als kulturelle Waffe betrachte und den Glauben instrumentalisiere, aber keine persönliche Glaubensüberzeugung angenommen habe, setzt sie entgegen: „Dennoch wäre ich nicht ehrlich, wenn ich meine Hinwendung zum Christentum allein auf die Erkenntnis zurückführen würde, dass der Atheismus eine zu schwache und spaltende Lehre ist, um uns gegen unsere bedrohlichen Feinde zu stärken. Ich habe mich auch deshalb dem Christentum zugewandt, weil ich das Leben ohne spirituellen Trost letztlich als unerträglich, ja fast als selbstzerstörerisch empfand.“ Der Atheismus habe eine einfache Frage nicht beantworten können: „Was ist der Sinn und Zweck des Lebens?“ 

Atheisten dürften sich dadurch in ihrem nicht-Glauben erschüttert sehen. Denn nachdem sich die ehemalige Anhängerin der Muslimbruderschaft wegen der islamistischen Anschläge vom 11. September auf das World Trade Center und wegen häuslicher Gewalt gegen muslimische Frauen, von der sie als Übersetzerin für niederländische Einwanderungsbehörden mitbekam, vom Islam abwandte, wurde sie bald eine Leitfigur in der neuen Atheismusbewegung der 2000er Jahre. „Das Beste (am Atheismus) war, dass ich die Existenz der Hölle und die Gefahr einer ewigen Bestrafung ablehnen konnte. Ich hatte zu lange in Angst vor all den grausamen Strafen gelebt, die mich erwarteten“, erklärt sie heute ihre damalige Entscheidung, sich ganz vom Glauben an einen Gott abzuwenden.

Als Politikerin im niederländischen Parlament für die konservativ-liberale Partei „Volkspartei für Freiheit und Demokratie“ prangerte sie die „missglückte“ Integrationspolitik der Niederlande an, äußerte heftige Kritik an den islamischen Schulen in den Niederlanden und initiierte ein Gesetz zur strengeren Bestrafung der Beschneidung von Mädchen. Ali wurde selbst als junges Mädchen einer Klitorisbeschneidung unterzogen und beantragte in den Niederlanden Asyl, weil sie vor einer arrangierten Hochzeit mit einem Cousin geflohen war. Den Islam sah sie nun als Ursache für Gewalt und sexuelle Unterdrückung, was ihr nicht nur die Kritik einbrachte, dass sie den Islam und den radikalen Islamismus auf eine Stufe stellen würde und somit eine konstruktive Debatte verhinderte, sondern immer häufiger auch Morddrohungen. Die bekannteste befestigte ein muslimischer Extremist am toten Körper des Filmregisseurs Theo van Gogh, mit dem sie zusammen einen Film gedreht hatte.

Kritik auch an der Transgender-Bewegung

Für die einen wurde die Tochter eines Rebellenarmee-Gründers zur gehassten Verräterin, für die anderen zur gefeierten Freiheitskämpferin. Die „Stiftung Freiheit von Religion” zeichnete die heute in den USA Lebende sogar mit dem Preis „Der Kaiser trägt keine Kleider” aus und lobte sie dafür, sich in der „Kultur der religiösen Dominanz in den USA“ als „Ungläubige“ auszugeben. Doch schon damals, als sich die Mutter zweier Kinder und Ehefrau von Historiker Niall Ferguson, noch nicht als Christin identifizierte, prangerte sie die Marginalisierung von Christen in vielen Gesellschaften an: „In den Medien ist viel von Islamophobie, die Furcht vor dem Islam, die Rede, doch ihr Ausmaß verblasst im Vergleich zur blutigen Christophobie.“

Das Idol Ayaan Hirsi Ali begann vom Sockel zu rutschen, als sie nicht mehr nur den Islam als frauenfeindlich kritisierte, sondern auch die „woke“ Transgender-Bewegung. Bemerkungen wie „Das Frausein wird auf eine bloße Selbstzuschreibung reduziert – und damit de facto getilgt“, stießen vielen sauer auf. 

Einst noch als „unbeugsame Frau“ gefeiert, wurde sie zunehmend als „Möchtegern-Reformatorin“ diffamiert. Das „Schweizer Radio und Fernsehen“ (SRF) versah Äußerungen von Hirsi Ali auf Facebook gar mit einer Triggerwarnung: Wer sich den Beitrag ansehe, werde mit „Diskriminierung gegenüber Transgender- und nichtbinärer Geschlechtsidentität“ konfrontiert. Wegen Kritik entfernte das SRF die Warnung zwar wieder, doch das zeigt, was Hirsi Ali selbst beobachtet: Wir befinden uns in einem Kulturkampf. Für den hat die Frau des Anstoßes aber eine Lösung gefunden: „Glücklicherweise müssen wir nicht nach einem New-Age-Gemisch aus Medikamenten und Achtsamkeit suchen. Das Christentum hat alles. ... Deshalb betrachte ich mich nicht mehr als abtrünnigen Muslim, sondern als abgefallene Atheistin.“ 

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