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Streit um Studien zu mutmaßlichem Trans-Rückgang in den USA

Identifizieren sich in den USA weniger junge Menschen als trans oder nicht-binär als noch vor wenigen Jahren? Studien spalten Forscher und Kommentatoren.
Debatte um Transgender-Zahlen in den USA
Foto: IMAGO/Paul Weaver / SOPA Images (www.imago-images.de) | Der Politikwissenschaftler Eric Kaufmann veröffentlichte Mitte Oktober auf der Plattform „UnHerd“ die These, dass unter jungen Menschen in den USA seit 2023 die Identifikation als trans, nicht-binär oder „queer“ ...

Neue Zahlen legen nahe, dass die Zahl junger Menschen in den USA, die sich als trans oder nicht-binär verstehen, rückläufig ist. Der britisch-kanadische Politikwissenschaftler Eric Kaufmann wertet dies als kulturellen Wendepunkt. Kritiker sprechen dagegen von Fehlinterpretationen und warnen vor politischer Instrumentalisierung in einer Zeit, in der Donald Trump die Genderpolitik neu ausrichtet.

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Kaufmann veröffentlichte Mitte Oktober auf der Plattform „UnHerd“ die These, dass unter jungen Menschen in den USA seit 2023 die Identifikation als trans, nicht-binär oder „queer“ deutlich zurückgehe. Als Grundlage dienen ihm die Daten der „Foundation for Individual Rights and Expression“ (FIRE), die jährlich eine große Umfrage unter US-amerikanischen Studenten durchführt, und 2025 mehr als 60.000 Studenten befragte, sowie Umfragen von Elite-Schulen wie der Brown University und der Phillips Academy Andover. Demnach stieg das Vorkommen nicht-binärer Identifikation von 2020 bis 2023, halbierte sich dann aber in manchen Jahrgängen. Das interpretiert Kaufmann als „unerwartete postprogressive Entwicklung“, die Institutionen ungern zugeben.

Matt Walsh: „Transgenderismus ist praktisch vorbei“

Konservative Kommentatoren wie Matt Walsh griffen diese These auf. Walsh erklärte online: „Transgenderismus ist praktisch vorbei.“ Die von Kaufmann mit seinen Daten erstellte und kommunizierte Grafik wurde als Beweis für den Wandel der Anti-Gender-Kampagnen gewertet. Doch die Kritik folgte rasch. Datenanalysten wie Jakob Eliason sowie Aktivistinnen wie Erin Reed bemängelten, Kaufmann habe ungewichtete FIRE-Rohdaten genutzt. Die FIRE-Studie diene der Meinungsfreiheit, nicht demografischen Trends; repräsentativ sei sie nur nach Gewichtung, weil bestimmte Gruppen öfter antworteten. Ohne Gewichtung beschreibe man weniger die reale Studentenschaft, sondern die Zusammensetzung der Antwortenden. Auch methodische Änderungen – etwa neue Kategorien – könnten scheinbare Trends erzeugen. Kaufmanns Grafik erfasse vor allem nicht-binäre Antworten; viele trans Frauen oder Männer blieben in den binären Optionen und würden so nicht erfasst.

Kaufmann hielt dagegen, wichtiger sei der Trend in mehreren unabhängigen Datensätzen, und große LGBTQ-Verbände fassten Nicht-Binäre ohnehin unter „trans“. Da Gewichtungen bei kleinen Gruppen Verzerrungen verstärken könnten, seien die Rohdaten hier aussagekräftiger. Unterstützung bekam Kaufmann von Psychologin Jean M. Twenge, die ebenfalls nationale Studien wie „Cooperative Election Study“ und „Household-Pulse-Survey“ analysiert hat. Laut Twenge geht der Anteil trans- und nicht-binär identifizierter 18- bis 22-Jähriger seit 2022 zurück; sie spricht von einem „Peak trans“ um 2023, mahnt aber zur Vorsicht mangels neuer Datensätze.

Auch wenn Umfragen dieser Art nur bedingt präzise sind, scheint der Trend real: Besonders stark identifizieren sich jene als trans oder nicht-binär, die Mitte der 2000er Jahre geboren wurden; Jüngere und Ältere tun es seltener. Bereits 2017 warnte die US-Psychotherapeutin Lisa Marchiano vor einer „sozialen Ansteckung“, die junge Frauen dazu verleite, sich plötzlich als transgender zu sehen – Ausdruck einer „psychischen Epidemie“, nicht individueller Identität. Kaufmanns Befunde scheinen diesen Gedanken zu bestätigen.

Mit Trumps Rückkehr wendet sich das Blatt

Bis 2024 schien die gesellschaftliche Entwicklung westlicher Länder die Ausweitung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt zu befördern. Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus hat sich das Blatt gewendet. Seit dem 20. Januar 2025 gilt die Vorgabe, nur zwei biologische Geschlechter anzuerkennen. Schulen, die Bundesmittel erhalten, dürfen keine Gender-Ideologie mehr lehren; staatlich finanzierte Krankenhäuser, keine geschlechtsangleichenden Operationen mehr durchführen. Die Erfassung weiterer Geschlechtsidentitäten entfällt somit, nationale Datensätze fehlen. Das erschwert die Prüfung, ob der Rückgang tatsächlich anhält.

Wie sich diese Linie in den Bundesstaaten auswirkt, zeigt ein Fall in Texas: Der Bundesstaat verbietet seit 2023 Hormonbehandlungen für Minderjährige und droht Ärzten mit Zulassungsentzug. 2024 klagte Generalstaatsanwalt Ken Paxton die Kinderärztin May Lau an, weil sie Jugendlichen Testosteron verschrieben haben soll. Lau bestreitet die Vorwürfe, gab jedoch 2025 ihre Zulassung ab und zog nach Oregon. 

Der Streit um den tatsächlichen Rückgang hat damit drei Ebenen: zum einen die empirische Frage nach dem Trend, zum anderen die methodische Zuverlässigkeit der Umfragen, und schließlich die politische Dimension. Kaufmann bleibt vorsichtig: Er spricht von einer Mode, die abflauen könnte, ob sie dauerhaft verschwindet, müssen künftige Daten zeigen.

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