„Wenn auch auf dem Umschlag der Broschüre steht: ,Die deutschen Bischöfe‘, dann spricht der Text trotzdem nicht in meinem Namen.“ Mit diesen Worten distanzierte sich der Passauer Bischof Stefan Oster vom Papier der bischöflichen Schulkommission zur „Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten“ an katholischen Schulen.
Dass nun ein weiterer bischöflicher Konflikt in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird, liegt vor allem daran, dass die Zeitgeistfraktion unter den Bischöfen ein weiteres Mal mit Anlauf über Einwände ihrer Mitbrüder hinweggebrettert ist. Nachdem der Ständige Rat besagtes Papier im März an die Redaktionsgruppe zurückverwiesen hatte, bestand die Möglichkeit, es mit dem christlichen Menschenbild in Einklang zu bringen. Dazu hätte das Rad nicht neu erfunden werden müssen: Die australischen Bischöfe haben schon 2022 Leitlinien für einen sensiblen und gleichzeitig wahrheitsgemäßen Umgang mit LGBT-Schülern vorgelegt.
Nicht vom Totschlagargument der „Humanwissenschaften“ einschüchtern lassen
Stattdessen fordert das Papier – und mit ihm die Bischöfe, die es in ihrem Bistum einsetzen – Lehrer an katholischen Schulen zur Lüge auf. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich der öffentliche Dienst wieder vom Gendern verabschiedet und weltweit der Widerstand gegen eine gewissenlos agierende Translobby wächst. Das Papier der Schulkommission will gegen die „Heteronormativität“ als „heimlichen Lehrplan“ vorgehen, der „alle anderen Formen sexueller Identitäten ausblendet und überlagert“. Lehrmaterialien sollen entsprechend angepasst werden, die Lehrer einen „anerkennend-akzeptierenden Umgang mit queeren Personen“ pflegen. Heißt im Klartext: einen Jungen in seiner selbstgewählten Mädchenidentität unterstützen, wenn er es so will. Drohen bei Zuwiderhandlung eigentlich arbeitsrechtliche Konsequenzen?
Statt sich wegzuducken, müssten die Bischöfe sich gerade jetzt schützend vor die ihnen anvertrauten Lehrer und Schüler stellen, wie es Bischof Oster tut. Dabei dürfen sie sich nicht von dem schon viel zu oft bemühten Totschlagargument der „Humanwissenschaften“ einschüchtern lassen. Glaubt man der Schulkommission, ist für diese die Existenz einer „Vielfalt sexueller Identitäten“ angeblich ein „Faktum“. Humanbiologen und Entwicklungspsychologen dürften angesichts einer solchen Vereinnahmung allerdings empört aufschreien.
Der Kern des Glaubens steht auf dem Spiel
Aus christlicher Sicht steht hier überdies noch ganz anderes auf dem Spiel, und zwar keine theologische Sonderdisziplin für notorische Zeitgeistverweigerer, sondern buchstäblich der Kern des Glaubens. Deswegen betitelt Bischof Oster seine sehr lesenswerte Stellungnahme mit der Frage „Glauben wir noch, was wir glauben?“ Ausführlich erläutert Oster, worauf eine unterschiedslose „Validierung“ aller möglichen selbstgewählten sexuellen Identitäten hinausläuft: „Wenn es die Erlösung durch Christus nicht mehr braucht, weil der Mensch ja schon kraft Schöpfung in jeder Art seines Soseins schon in Ordnung ist, dann hätte es das Drama des Kreuzes auch nicht gebraucht.“ Kurz: Wozu Erlösung, wenn’s doch nichts zu erlösen gibt? Die Wahrheit ist jedoch: Jeder Mensch ist auch „ein gebrochenes, desintegriertes Wesen“, das die „Begegnung mit Christus für sein Heil, für sein Mehr-ganz-werden“ braucht, so Oster.
Wer die Sexualität von der menschlichen Erlösungsbedürftigkeit ausnimmt, begeht Raub an den Seelen – und findet sich konsequenterweise am Ende dort wieder, wo Teile der Evangelischen Kirche schon angekommen sind, nämlich bei der Segnung von Polygamie. Denn unter welchem Argument soll Polyamorie von der Liste der legitimen Beziehungsformen ausgeschlossen bleiben, wenn alle sexuellen Identitäten und Orientierungen Ausdruck „gottgewollter Freiheit“ sind?
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