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Steven Labat: Tod bewegt tausende von Menschen

Der Tod des jungen ägyptischen Priesters Steven Labat bewegt tausende von Menschen. Einige sehen in dem talentierten Schauspieler und Tänzer bereits einen Heiligen unserer Zeit.
Steven Labat: sieht so ein Heiliger unserer Zeit aus?
Foto: facebook steven on the mount | Steven Labat: sieht so ein Heiliger unserer Zeit aus? Seine natürliche und menschenfreundliche Art beeindruckte viele.

Ich muss das tun, was Steven mich gelehrt hat: Den Herrn lieben, so wie er ihn geliebt hat. Ja, ich liebe meinen Sohn, aber ich liebe Gott mehr… Steven hat mich das gelehrt.“ Diese Worte sprach Carole Chalhoub, die Mutter von Steven Labat, bei dessen Requiem am 10. Mai in der katholischen Kathedrale in Kairo. Steven wurde nur 32 Jahre alt und ist zehn Monate nach seiner Priesterweihe am 5. Mai im Sinai-Gebirge tödlich abgestürzt. In Kairo sind die Kirchen bei Jugendgebetsabenden im Gedenken an Steven seit seinem Tod überfüllt. Eine nach seinem Tod gegründete öffentliche Facebookseite (Steven on the mount) hat aktuell über 40 000 Mitglieder und über 2 500 Beiträge. Weshalb hat sein Tod eine derartige Welle der Anteilnahme ausgelöst? Wer war Steven Labat?

Er wurde 1990 in Kanada geboren, als Sohn ägyptischer, melkitischer Eltern. Nach der Rückkehr der Familie nach Ägypten ist er mit zwei Geschwistern in Kairo aufgewachsen. Mit 17 Jahren kam er auf Einladung zum ersten Mal zum Forum der Gemeinschaft Emmanuel nach Altötting. Er war so angetan, dass er nach seinem Schulabschluss 2008 ein Jahr in der Missionsschule von Emmanuel in Altötting verbrachte. Vielen in der deutschsprachigen Gemeinschaft ist er seitdem vor allem in der Rolle des Jesus im Musical über Maria Magdalena in Erinnerung. Er konnte seine Talente als guter Sänger, Tänzer und Schauspieler voll leben, aber vor allem wollte er Gott näherkommen. Spiritual Andreas Schmidt, damals Direktor der Emmanuel-Missionsschule, schreibt über ihn: „Er hat während dieses Jahres einen unglaublichen geistlichen Weg zurückgelegt. Er war so interessiert, alles besser zu verstehen – nicht nur intellektuell, er wollte vor allem auch tiefer in das Geheimnis Gott eindringen. Er wollte wissen, wie wir mit Ihm leben können. Es war leicht für ihn zu lernen, denn seine Seele war weit offen für Gott.“

Gemeinschaft Emmanuel in Ägypten mit aufgebaut

Zurück in Kairo hat Steven Jura studiert und die in Ägypten zu diesem Zeitpunkt junge Gemeinschaft Emmanuel mit aufgebaut. Lange hat er mit seiner Berufung gerungen, sich dann aber nach seinem Studienabschluss und einem propädeutischen Jahr in Belgien auf den Weg in Richtung Priestertum mit der Gemeinschaft Emmanuel gemacht. Als Katholik des melkitischen Ritus hätte er auch als verheirateter Mann Priester werden können. Doch für ihn war schnell klar: Wenn Priester, dann so leben wie Jesus, nämlich zölibatär. Sein Studium hat er in Brüssel und Paris absolviert und ist am 26. Juni 2021 für die Erzdiözese Paris und die Gemeinschaft Emmanuel zum Priester geweiht worden. Er sollte beide Riten, den lateinischen und den melkitischen, feiern können. Deshalb wurde er für sein erstes Priesterjahr wieder nach Ägypten gesandt, um in einer Pfarrei auch den östlichen Ritus zu lernen. Auf die Frage nach seiner liebsten Bibelstelle hatte er kurz vor seiner Priesterweihe in einem Interview gesagt: „Meine liebste Bibelstelle ist im Buch Exodus, wenn Mose dem Herrn im brennenden Dornbusch begegnet. Da, wo Gott uns seinen Namen offenbart.“

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Absturz am Sinai

Der Sinai als Ort dieser Offenbarung und Gottesbegegnung hatte es ihm angetan und genau dort ist er am 5. Mai abgestürzt, während er sich alleine zu Exerzitien dorthin zurückgezogen hatte. Als der Leichnam von Steven nach intensiver Suche am 7. Mai von den Sicherheitsbehörden gefunden wurde, verbreitete sich die Nachricht von seinem Tod durch alle sozialen Netzwerke wie ein Lauffeuer. Die Betroffenheit war groß. „Steven war unser erster, ägyptischer Priester, circa zwanzig Jahre nach Gründung der Gemeinschaft Emmanuel in Ägypten“, sagt Dominique Janthial, verantwortlich für die Priester dieser Gemeinschaft in Europa und dem Orient und gleichzeitig geistlicher Ziehvater von Steven. „Er hatte eine große Liebe zu den Armen, obwohl er selbst aus einer wohlhabenden Familie stammt. Zur Familie gehörte auch der bekannte Schauspieler Omar Sharif. Steven hatte ein Feuer in sich und er hat viele Menschen durch seine außergewöhnliche Stimme beeindruckt. Mich erreichen Unmengen von Nachrichten seit seinem Tod. Weltlich gesehen ist sein Tod eine Katastrophe, aber Gott weiß, was er tut.“ Und Samer Hanna, der aktuell Verantwortliche für die Gemeinschaft Emmanuel in Ägypten, bestätigt: „Wir sind voller Hoffnung, denn wir wissen, dass er ein Heiliger ist.“

In Jeans und Turnschuhen

Dass Steven ein heiligmäßiger Mensch war, diesen Eindruck konnte man auch bei seinem Begräbnis und der Zeit danach gewinnen. Er mochte den seligen Carlo Acutis sehr gern, den „Heiligen in Jeans und Turnschuhen“. So war er selbst: Ganz normal und natürlich, nahe bei den Menschen. Und zumindest bis zu seiner Priesterweihe auch häufig in Jeans und Turnschuhen. Die Freunde von Steven hatten vor dem Requiem und der Beerdigung über die sozialen Netzwerke verbreiten lassen, dass alle zu Ehren von Steven in Jeans, Turnschuhen und weißem Hemd erscheinen sollten. Und so war am 10. Mai die katholische Kathedrale von Kairo überfüllt mit jungen Leuten in Jeans und weißem Hemd. Zelebriert wurde das Requiem vom lateinischen Bischöfe in Ägypten Claudio Lurati, umringt von vielen Priestern. Die Eltern und die Geschwister von Steven haben vor dem Requiem in beeindruckender Weise ihren Schmerz, ihre Trauer, aber genauso ihre Hoffnung zum Ausdruck gebracht. Stevens Mutter sagte, sie würde eine öffentliche Facebook-Gruppe gründen, in der alle, die Steven kannten, ihre Fotos und Videos teilen sollten. Sie wolle alles über ihren Sohn sehen.

„Steven lehrt mich, dass ich Gott in allem finden kann, oder anders, dass ich Gott in allem suchen kann und dass alles zu Gott führt.“

Einen Tag nach Gründung der Gruppe „Steven on the mount“ hatte sie bereits rund 10 000 Mitglieder. Aktuell sind über 40 000 Menschen dieser Gruppe beigetreten. Es sind bewegende Berichte, zum Teil von engen Weggefährten, von Kindheitsfreunden oder von Familienmitgliedern. Zum Teil aber auch von Menschen, die Steven überhaupt nicht gekannt haben, aber die sich durch seinen Tod gerufen fühlen, ihren Weg mit Gott neu zu überdenken. Ein Nutzer auf Facebook schreibt: „Steven lehrt mich, dass ich Gott in allem finden kann, oder anders, dass ich Gott in allem suchen kann und dass alles zu Gott führt.“ Genauso war Steven – in allem Gott suchen und finden, im Kleinen, Alltäglichen oder im Nächsten genauso wie in der Liturgie und im Gebet.

Fürsprache, die Früchte trägt

Papst Franziskus sagt, wir brauchen Heilige für das 21. Jahrhundert. Ist uns mit Steven ein solcher Heiliger in den Himmel vorausgegangen? Man hat den Eindruck, dass seine Fürsprache schon Früchte trägt. In Ägypten gibt es seit seinem Tod in den Kirchen Gebetsabende oder Gottesdienste, die voller junger Menschen sind. Die Betroffenheit und Trauer über seinen Tod ist immer noch spürbar, aber gleichzeitig erwacht das Staunen und die Dankbarkeit über diesen besonderen Menschen. Ein Heiliger, der singt und tanzt und sich des Lebens freut. Ein Heiliger, der gleichzeitig in allem Gott sucht. Ein Heiliger in Jeans und Turnschuhen. Ein Heiliger auf Facebook, Instagram und YouTube. Sieht so vielleicht ein Heiliger des 21. Jahrhunderts aus?

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