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„Ich konnte meinen Sohn nicht töten“

Mit Anfang 20 wurde Olivia aus Ruanda ungewollt schwanger. Ihr ganzes Umfeld drängte sie zur Abtreibung. Ein Treffen mit einer Frau, die sich gegen allen Widerstand für ihr Kind entschied.
Ungeplant schwanger in Afrika
Foto: IMAGO/JGI/Jamie Grill/Blend Images (www.imago-images.de) | Symboldbild: "Heute weiß ich, dass ich auch stark bin. Denn ich habe das Kind gerettet, während alle wollten, dass ich ihn töte", erzählt Olivia von ihrer Erfahrung.

Fast drei Jahre ist es nun her, dass Olivia herausfand, dass sie schwanger war. Damals war sie gerade 21. Ihr selbst sei es damals nicht einmal sofort aufgefallen. Ihre Mutter habe sie darauf angesprochen, wo denn ihre Periode bleibe und habe sie daraufhin zum Arzt geschickt. Der habe ihr den Verdacht der Mutter bestätigt: schwanger.

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Sie saß wie angewurzelt auf dem Untersuchungsstuhl, konnte sich nicht bewegen. Tausend Gefühle überkamen sie: Angst, Hoffnungslosigkeit, Enttäuschung, die Frage wie sie das schaffen soll, aber die Überzeugung, dass sie es schaffen wird. Ihr Umfeld war sich einig: sie sollte abtreiben. „Mein Freund hat mir gesagt, dass ich abtreiben soll. Er hat gesagt, dass er alles dafür tun wird, um das Geld zu bekommen.“

Der Freund sagt: "Dann bin ich weg"

Eine Abtreibung kostet in Ruanda, wo Olivia lebt, rund 180.000 bis 200.000 Ruanda-Francs, umgerechnet rund 150 Euro – etwa zwei Monatsgehälter. Als sie ihrem Freund sagte, dass sie das Baby behalten werde, sagte er: „Dann bin ich weg.“ Auch ihre Freunde und Familie hätten ihr dazu geraten, abzutreiben. „Aber ich habe gesagt, dass ich das nicht tun kann. Ich konnte meinen Sohn doch nicht töten! Was, wenn das das einzige Kind ist, das Gott mir schenkt?“

Ihr sei klar gewesen, dass ihr Freund und sie für die Situation verantwortlich seien, „aber mein Sohn war doch unschuldig! Und selbst, wenn ich dafür verurteilt werde, dass ich unehelich schwanger geworden bin, dann weiß ich, dass Gott mich dafür belohnt, dass ich das Kind gerettet habe. Gott ist Gnade“.

Während ihrer Schwangerschaft habe sie viel gebetet. „Wenn man betet, wird einem plötzlich egal, was andere denken. Es ist dann nur wichtig, was Gott von einem denkt.“ Olivia spricht schnell, während sie von ihrer Schwangerschaft erzählt, als würde sie sich das alles zum ersten Mal von der Seele reden. Sie sieht zur Seite, Tränen laufen über ihre Wangen, die sie immer wieder schnell beiseite wischt. „Ich weiß, ich bin sensibel“, sagt sie. „Aber heute weiß ich, dass ich auch stark bin. Denn ich habe das Kind gerettet, während alle wollten, dass ich ihn töte.“ Ein trauriges Lächeln spielt um ihre Lippen. Einen Moment lang sagt sie nichts. „Ich weiß noch, wie er das erste Mal in meinem Bauch gestrampelt hat.“

„Mein Vater hat mich nicht mehr angesehen"

Für ihre Familie war es eine große Schande, dass die Tochter schwanger geworden war. „Mein Vater hat mich nicht mehr angesehen, er hat mich wie Luft behandelt.“ In den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft mietete ihre Mutter ein Haus, in das sich Olivia zurückziehen sollte, da ihr Vater seine Tochter nicht mehr im Haus haben wollte. Nach der Geburt weigerte ihr Vater sich zunächst, seinen Enkelsohn zu sehen. „Nur meine Mutter war mit mir im Krankenhaus.“

Inzwischen studiert Olivia Jura. Sie lebt wieder bei ihren Eltern, die für sie und ihren Sohn sorgen. „Aber es ist nicht leicht, als alleinerziehende Mutter mit Anfang 20 zu studieren. Mein Sohn ist immer zu Hause, wenn ich in der Universität bin. Einige meiner Freunde wissen nicht einmal, dass ich ein Kind habe.“ Olivia wischt sich noch einmal über das Gesicht und sieht dann mit einem Lächeln das Bild ihres zweijährigen Sohnes Henry an. „Ich liebe meinen Sohn, auch wenn er nicht geplant war. Und ich bin froh, dass ich ihn habe.“

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