Die Wahrheitsfrage mit ihren festen Prinzipien gehörte einst zum Kern der Philosophie. Das hat sich auch durch den 1927 geborenen amerikanischen Philosophen Edmund L. Gettier geändert. Bei ihm spielt der Zufall die Hauptrolle. Zufall war eigentlich auch sein nur dreiseitiges Hauptwerk, das er 1963 mit dem Titel „Ist gerechtfertigte, wahre Überzeugung Wissen?“ schrieb. Denn sein Vertrag an der Universität in Detroit wäre gefährdert gewesen, wenn er nichts veröffentlicht hätte. Also schrieb er schnell diesen Aufsatz und damit auch Philosophiegeschichte. Denn seine Gedanken sind überall zitiert, wo es um die Grundlagen von Wissen und Wahrheit geht.
Wissen gegen Wahrheit
Gettier trennt die wahre Überzeugung vom Wissen – Wissen ist damit nicht mehr wie in der klassischen Philosophie gerechtfertigt und wahr. Man kann der gerechtfertigten wahren Überzeugung oder Meinung sein, dass John ein bestimmtes Auto hat, weil er damit gesehen wurde und dass er gerade in Barcelona ist. Nun ist aber Johns Auto ein Mietwagen, in Barcelona ist er jedoch zufällig wirklich. Die klassischen Wahrheitsbedingungen einer gerechtfertigten Meinung sind also durch den Zufall außer Kraft gesetzt. Das ist auch symptomatisch für die Gegenwart, Fragen gerechtfertigter Wahrheit mit dem Hinweis auf empirische Beispiele oder Lebenswelten auszuhebeln. DT/ari
Mehr über die Abschaffung der Wahrheit in der modernen Philosophie lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.