Wunder spielen in unserer Kultur eine große Rolle. Allem wissenschaftlichen Fortschritt zum Trotz findet sich die Wundermetapher in Filmtiteln („Das Wunder von Lengede“), Liedern („Wunder gibt es immer wieder“, Katja Ebstein; „Wunder gescheh’n, ich hab’s geseh’n“, Nena) oder auch in den großen Erzählungen, die unser kollektives Gedächtnis bilden („Das Wunder von Bern“).
Wunderberichte stoßen heute auf Skepsis
Doch auch Erzählungen von handfesten Wunderheilungen und – im Raum der Kirche – eucharistischen Wundern und Blutwundern haben eine große Popularität. Angesichts konkreter Wunderberichte breitet sich andererseits auch Skepsis aus. Betrachtet man dazu die einschlägige Literatur, dann ist der Wunderglaube eine Mischung aus Betrug, Informationsmangel, Fehldeutung und Leichtgläubigkeit. Zugleich jedoch werden Wunder aus dem Bereich der Religion, vor allem der Kirche, detailliert wahrgenommen und sehr intensiv untersucht. Das Phänomen des Wunders ist bereits von daher höchst ambivalent.
Es ist nicht alles ein Wunder, was wundersam ist
Hier ist nun zu klären: Was gilt der Kirche überhaupt als „Wunder“? Zunächst einmal: Der Wunderbegriff der Kirche ist überprüfbar – und insoweit wissenschaftlicher Methodik gegenüber aufgeschlossen. Die Prüfung von Wunderberichten durch die Kirche ist sehr streng. Beides ist sehr wichtig. Die Kirche sucht keine Wunder für den Reputationsgewinn ihres Glaubens. Unter diesem Verdacht steht sie jedoch, schon deshalb prüft sie äußerst sorgfältig.
Zur Illustration dieser Sorgfalt wird gerne folgende eindrückliche Begebenheit geschildert: Ein Journalist habe sich 1960 gegenüber dem im Vatikan mit der Wunderuntersuchung beauftragten Sekretär abfällig über Wunderberichte geäußert. Wenige Tage später überreichte dieser Sekretär dem Journalisten wortlos einen Stapel von Berichten und Zeugenaussagen. Nachdem der Journalist wochenlang diese Schriften studiert hatte, musste er dem Sekretär gegenüber eingestehen, dass es nach menschlichem Ermessen an der Tatsächlichkeit der dort beschriebenen Ereignisse keinen Zweifel mehr geben könne. Der Sekretär erwiderte ihm mit einem Lächeln: „Und dabei sind die Akten, die ich Ihnen gab, doch nur die, die wir als mangelhaft abgelehnt haben.“
DT (jobo)
Warum die Kirche an Wundern festhält, was Thomas von Aquin und Gottfried Wilhelm Leibniz dazu dachten, was es mit dem „Blutwunder von Neapel“ und dem „Wunder von Calanda“ auf sich hat und warum es daran „keinen vernünftigen Zweifel“ (Kardinal Brandmüller) geben kann, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 25. April 2019. Kostenlos erhalten Sie diese Ausgabe hier.