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Was beim "Osservatore Romano" wirklich geschah

Diskriminierung der Redakteurinnen vom Frauenmagazin "Donne Chiesa Mondo"? Nein – die Sache liegt ganz anders.
Petersdom hinter Kolonnen - Machtspiele im Vatikan
Foto: Romano Siciliani (KNA) | Zwischen „Osservatore Romano“ und „Donne Chiesa Mondo“ knirscht es.

Für die katholische Tageszeitung "La Croix" in Frankreich sind es keineswegs Diskriminierung der Frau und klerikale (Männer-) Strukturen, die dazu geführt haben, dass Ende März Lucetta Scaraffa, die Chefreakteurin des unter dem Dach der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" erscheinenden Frauenmagazins "Donne Chiesa Mondo" (Frauen Kirche Welt) ihren Hut genommen hat. So hatte es die siebzig Jahre alte Journalistin in einem Offenen Brief an Papst Franziskus dargestellt: Im "Osservatore Romano" hätten wieder die Männer die Macht ergriffen, gegen ihre Gruppe von eigenständigen Mitarbeiterinnen des Frauen-Magazins habe sich ein "Klima des Misstrauens und der wachsenden Delegitimiertung" entwickelt, statt Freiheit und Unabhängigkeit seien unter der neuen Leitung wieder "klerikale Sebstbezüglichkeit" eingezogen.

Eine reine Machtfrage

"La Croix" analysiert das Ganze genauer und kommt zu dem Ergebnis, dass es um eine reine Machtfrage ging. Auf Wunsch des damaligen Chefredakteurs Giovanni Maria Vian gründete Scaraffa 2012 die Frauenbeilage, stieg aber zugleich zur Leitartiklerin des "Osservatore Romano" auf und nahm einen immer stärkeren Einfluss auf die Vatikanzeitung. Bis schließlich Chefredakteur Vian im Dezember letzten Jahes seinen Stuhl für den Religionslehrer Andrea Monda freimachen musste – er hatte versucht, der Vatikanzeitung innerhalb des vatikanischen Medienpools "Vatican News" eine gewisse Eigenständigkeit zu wahren und sich nicht in die neue Struktur des Dikasteriums für Soziale Kommunikation einzugliedern. Scaraffia hatte ihren Schutzherrn und damit  ihre bestimmende Position innerhalb des "Osservatore Romano" verloren.

Nur die Autorinnen hören auf

Der neue Chefredakteur Monda antwortete auf den Offenen Brief Scaraffias sofort mit einer von "Sala Stampa" verbreiteten Note und stellte klar, dass das Frauen-Magazin weiter erscheint und es die alleinige Entscheidung von Scaraffia und ihren Mitarbeiterinnen war, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Selbst in ausländischen Medien war der Eindruck entstanden, mit Scaraffia hätten zehn Redakteurinnen ihre Schreibtische beim "Osservatore Romano" verlassen. Tatsache ist, dass die "Chefin" mit zwei Redakteurinnen des "Osservatore Romano" zusammenarbeitete, die bei der Zeitung bleiben werden. Nur die freien Mitarbeiterinnen und Autorinnen stellten mit Scaraffia ihre Arbeit ein.

DT (jobo)

Zu welchem Urteil der Rom-Korrespontent "Tagespost", Guido Horst, kommt, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 28. März 2019.

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