Mystik

Von der Glaubensferne befreien

Die christlichen Ursprünge freilegen: Meister Eckhart wird heute von bloßer Spiritualität und Lebenskunst vereinnahmt.
Meister Eckhart, Skulptur in Bad Wörishofen
Foto: Lothar Spurzem / Lizenz: CC BY-SA 2.0 de | Meister Eckharts radikalisierte die Idee des Subjekts, was als unorthodox empfunden wurde.

Der besonders in den letzten beiden Jahrhunderten rezipierte Meister Eckhart wurde zumeist aus dem christlichen Kontext herausgelöst. „Tagespost“-Autor Hermann Mchedeli plädiert entgegen dieser Tendenz dafür, Eckhart aus der gängigen philosophisch-akademischen Sicht herauszuholen und wieder ursprünglich zu verstehen. 

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Schlecht mitgeteilt

Im 20. Jahrhundert waren es vor allem der Chef-Ideologe des Nationalsozialismus Alfred Rosenberg und der Neomarxist Erich Fromm, die sich auf Eckhart in ihren programmatischen Entwürfen bezogen haben. Auch Gegenwartsautoren mit populären Büchern zur Spiritualität und Lebenskunst wie Eckhart Tolle ließen sich von dem Autor der „Deutschen Predigten“ wenig religiös inspirieren. Diese weit verbreitete Wahrnehmung Eckharts in der Moderne hat schon Schopenhauer auf den Punkt gebracht, Eckhart habe zwar richtige Erkenntnisse, aber nur schlecht mitgeteilt, weil er seine Gedanken „in die Sprache und Mythologie des Christentums zu übersetzen“ hatte.

Eckharts „unorthodoxe“ Sicht bestand aber in der Radikalisierung der Idee des Subjekts, dies macht seine Modernität aus. Anders als Thomas von Aquin hielt Eckhart eine vollständige Vereinigung der menschlichen Seele mit Gott für möglich, was allerdings später zu pantheistischen und psychologischen Ideen geführt hat. Für den mittelalterlichen Mystiker führte hingegen der Weg zu Gott ins Innere des eigenen Ichs, wo der „Grund der Seele“ verborgen liege. Wenn heute aber die so verstandene Mystik nur noch mit alltäglichen Erfahrungen des empirischen Ichs zusammenfällt, wird sie von ihrem ursprünglich christlichen Sinn gelöst. Davor sollte man Meister Eckhart bewahren. DT/ari

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost einen Beitrag zur Modernität des mittelalterlichen Mystikers Meister Eckhart.

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