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UK: Kulturkampf in der Oper – 14 weiße Musiker entlassen

Die „English Touring Opera“ entlässt 14 weiße Musiker aus ihrer Opernkompagnie, um die „Diversität“ in ihren Reihen zu vergrößern. Für die Violinistin des Philharmonischen Orchesters Monte Carlo Zhang Zhang ist dies laut Figaro ein „Skandal“.
Jubiläumskonzert zum 200. Jahrestag des Konzerthauses
Foto: Christophe Gateau (dpa) | Aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ist Künstlern der English Touring Opera mitgeteilt worden, dass sie arbeitslos würdenSymbolbild: Konzerthausorchester Berlin.

Die 1949 gegründete Opernkompagnie „English Touring Opera“ besteht aus freischaffenden Musikern. Sie veranstaltet Tourneen im gesamten Vereinigten Königreich, um den Zugang zur Oper zu erleichtern. Nun verlängert sie die Verträge von 14 weißen Musikern nicht mehr, um „diverser“ zu werden. In einem Gespräch mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ kritisiert die Erste Geige des Philharmonischen Orchesters Monte Carlo, die in Peking geborene Zhang Zhang, diese Entscheidung einer „positiven Diskriminierung“: „Keine Diskriminierung ist positiv. Im Namen des Fortschritts rechtfertigt man Ungerechtigkeiten“. 

Rein ideologische Entscheidung

Aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit sei Künstlern der English Touring Opera, von denen manche dem Orchester schon seit 20 Jahren angehörten, mitgeteilt worden, dass sie arbeitslos würden. Diese Entscheidung „hat nichts mit der Musik zu tun“, sagt Zhang Zhang, „sie ist rein ideologisch“. Dies sei „umso schockierender und herzloser“, als dass die Welt der Bühnenkunst gerade jetzt nach einem Jahr der beschränkten pandemiebedingten Auftrittsmöglichkeiten wieder neu startet. Es bedeute zudem, „dass Karrieren geschwächt und Familien vermutlich in die Armut getrieben werden. Wie kann man bei all dem Gerechtigkeit und Fortschritt erkennen?“

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Zhang Zhang verurteilt die Rechtfertigung des Leiters der English Touring Opera für sein Vorgehen. Diese Rechtfertigung sei an sich schon diskriminierend: „Anstatt das Ensemble von Musikern als Künstler zu betrachten, die die gleiche Passion und den gleichen Beruf teilen, prüft man und begutachtet sie nach ihrer Hautfarbe oder ihrer ethnischen Abstammung. Bezeichnet man das nicht als Rassismus?“, sagte sie der Zeitung. Wann und warum solle es übrigens „inakzeptabel geworden sein“, so fährt sie fort, „dass Musiker europäischer Herkunft in europäischen Orchestern spielen? In anderen Teilen der Welt gibt es Orchester, die vollständig aus asiatischen, afrikanischen oder hispanischen Musikern zusammengesetzt sind. Wirft man ihnen ebenfalls vor, Minderheiten nicht ausreichend einzubeziehen?“

Plädoyer für Vorspiel hinter Wandschirm

Die Kluft zwischen „der wahrgenommenen Ungerechtigkeit“ und der Realität sei enorm. Die gesamte klassische Musik der Diskriminierung gegenüber bestimmten ethnischen Gruppen zu ziehen, indem man die Anzahl der Weißen und die Anzahl der „Minderheiten“ zähle, aus denen sich das Orchester zusammensetzt, sei genauso „illegitim und absurd, als eine NBA-Mannschaft der systematischen Diskriminierung von Asiaten zu beschuldigen“.

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Die Auswahl von Musikern erfolge bei den großen europäischen und nordamerikanischen Orchestern mit einem Vorspiel hinter einem Wandschirm, „um die Objektivität zu gewährleisten, wobei einzig die musikalische Qualität beurteilt wird. Dies ist ein System, das seit den Siebzigerjahren in den Vereinigten Staaten eingeführt wurde. Das Ergebnis: Man bemerkt einen deutlichen Anstieg der Zahl der Musikerinnen, die von den großen Symphonischen Orchestern aufgenommen werden“. Vor der Einführung dieses Wandschirm-Systems habe es bei den New Yorker Philharmonikern etwa fünf Prozent Frauen gegeben, heute seien es 50 Prozent. Zhang Zhang spricht sich „für das Wandschirm-System bei Vorspielen“ aus.

Diese Vorkommnisse häufen sich

Die chinesischstämmige Musikerin verurteilt im Figaro die auch in anderen Bereichen üblich gewordenen Vorgehensweisen, wenn sie hervorhebt: „Ich stelle fest, dass sich diese Vorkommnisse häufen – im Namen der Veränderung und des sozialen Fortschritts, und sie werden von selbst ernannten Aktivisten in Gang gebracht. So als wenn die Welt durch die totale Zerstörung der existierenden Gesellschaft wie durch ein Wunder gerechter, sicherer und zu einem stärkeren Hoffnungsträger würde. Diese Vorfälle lassen nichts Gutes erahnen, wenn wir dieser Ideologie nicht widerstehen“. Und sie erinnert an die chinesische Kulturrevolution, die „ebenfalls die soziale Gerechtigkeit und den gesellschaftlichen Fortschritt befördern sollte, aber sie hat in ein Jahrzehnt des Chaos, der Angst, der verlorenen Menschenleben sowie des unersetzlichen Verlustes von historischen Denkmälern gemündet, die unsere Zivilisation symbolisieren“. Natürlich lebten wir heute in einer Demokratie. Aber, so gibt Zhang Zhang zu bedenken, „bei der Kulturrevolution hat alles mit der Beseitigung der Künste und der Künstler begonnen“.  DT/ks

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