Oxford

Cancel Culture: Klassische Musik „zu weiß und zu europäisch“

Professoren des Fachbereichs Musik an der Oxford University fordern, angeregt durch die „Black Lives Matter“-Bewegung, das Curriculum der Fakultät zu „dekolonialisieren“. Auch die Notenschrift und die Beherrschung von Musikinstrumenten stünden zur Debatte.
Klassische Musik auf dem Prüfstand
Foto: Hendrik Schmidt (dpa-Zentralbild) | Wenn es nach Oxfords Musikwissenschaftlern geht, sollen musikalische Fähigkeiten wie das Klavierspielen oder die Leitung eines Orchesters nicht mehr obligatorisch sein.

Berichten der britischen Tageszeitung "The Telegraph" zufolge hoffen Musikprofessoren der Oxford University darauf, ihre Lehrveranstaltungen reformieren zu können, um den Schwerpunkt weniger auf die weiße europäische Kultur zu legen. So wurde etwa die musikalische Notenschrift von ihnen als „kolonialistisch“ gebrandmarkt. Dem Telegraph zufolge möchten die Professoren das Musikangebot der Universität dekonstruieren, nachdem sie sich durch dieBlack-Lives-Matter-Proteste mit Forderungen konfrontiert sahen, das Curriculum zu „dekolonialisieren“.

Fokus auf "weißer europäischer Musik aus der Sklavenzeit"

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Der Telegraph habe Einsicht in Änderungsvorschläge für studentische Lehrveranstaltungen genommen, in denen einige Mitarbeiter die „Komplizenschaft an weißer Vormacht“ kritisieren. Nach Ansicht der Professoren fokussiere sich das in Oxford gelehrte klassische Repertoire - das Werke von Mozart und Beethoven umfasst – zu stark auf „weiße europäische Musik aus der Sklavenzeit“. Die dem Telegraph vorliegenden Dokumente offenbarten, dass Angehörige der Fakultät, die über das Curriculum entscheiden, Reformen vorgeschlagen hätten, um sich mit dieser „weißen Vormachtstellung“ zu befassen, und unter anderem die musikalische Notenschrift zu überdenken, weil dies ein „kolonialistisches Repräsentationssystem“ sei. Die Notenschrift zu lehren, „die ihren Bezug zu ihrer kolonialen Vergangenheit nicht abgeschüttelt hat“, sei für einige Studenten ein „Schlag ins Gesicht“, wie die Dokumente behaupten. Zudem solle das Musikstudium inklusiver werden.

Darüber hinaus hätten die Oxforder Musikwissenschaftler empfohlen, dass musikalische Fähigkeiten wie das Klavierspielen oder die Leitung eines Orchesters nicht mehr obligatorisch sein sollten, da das Repertoire „strukturell die weiße europäische Musik in den Mittelpunkt stellt“, was „farbige Studenten in große Bedrängnis bringt“.

Fördert das Curriculum die weiße Vormachtstellung?

Die empfohlenen Änderungen am Curriculum des Musikstudiums sehen darüber hinaus eine „Einführung in soziokulturelle und historische Studien“ vor, um die neue Ausrichtung der Fakultät widerzuspiegeln. Auch wenn Hip-Hop und Jazz bereits gelehrt würden und man damit einen „nicht-eurozentrischen“ Blick auf die Musik werfe, fragten sich die Professoren, ob die „ Struktur unseres Curriculums“ nicht die „weiße Vormachtstellung fördert“. 

Ein weiterer Vorschlag laute, der Popmusik ein stärkeres Gewicht zu verleihen, womit Studenten die Möglichkeit gegeben werden solle, über die in der Pop-Kultur diskutierten Ereignisse sprechen zu können, wie etwa über die Unterschriftenliste von Künstlern, die vom ehemaligen Präsidenten Trump gefordert hatten, ihre Musik nicht mehr bei seinen Veranstaltungen einzusetzen.  DT/ks

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