Cancel Culture

Schneewittchen und der Kuss ohne gegenseitiges Einverständnis

In einem Artikel des San Francisco Chronicle gerät nun Schneewittchen ins Visier der Cancel Culture. Der Beitrag der kalifornischen Zeitung nimmt die Öffnung des Disneyparks zum Anlass, den Kuss des Prinzen zu brandmarken, weil er „ohne Einverständnis“ gegeben wurde.
Schneewittchen und die sieben Zwerge
Foto: (Disney) | Der Kuss ohne Einwilligung wird zum Politikum, weil sich zwei "woke" Journalistinnen daran stören. Im Bild; Szene aus Disneys erstem Zeichentrickfilm «Schneewittchen und die sieben Zwerge» von 1937.

Das kalifornische Disneyland öffnete am 30. April wieder seine Pforten. Wegen der Corona-Pandemie war der Freizeitpark mehr als 400 Tage lang geschlossen. 

Zwei Journalistinnen der Online-Ausgabe des San Francisco Chronicle, einer der wichtigsten Tageszeitungen Kaliforniens, unternahmen einen Rundgang durch den Vergnügungspark und veröffentlichten am Tag darauf ihren Artikel mit dem Titel: „Disneylands neue Schneewittchen-Attraktion fügt Magie hinzu, aber auch ein neues Problem.“ Der Rundgang durch das Märchen der Gebrüder Grimm stellt die einzelnen Szenen der Zeichentrickfilm-Adaption von Walt Disneys „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ aus dem Jahr 1937 nach.

Lange Wartezeiten

Lesen Sie auch:

Die Wartezeiten vor dem Eingang des Schneewittchen-Rundgangs seien den ganzen Tag über die längsten im Park gewesen, heißt es in der Zeitung, „weil die Leute so gespannt waren, bei der Wiedereröffnung des Parks etwas Neues zu entdecken“. Ein „Problem“ sei jedoch die Gestaltung der „großen Abschlussszene“: der Augenblick, in dem der Prinz Schneewittchen unter dem Zauberbann der bösen Königin, die dem jungen Mädchen einen vergifteten Apfel zu essen gab, schlafend vorfindet und Schneewittchen den „wahren Liebeskuss“ gibt, um es von dem Zauber zu erlösen. 

Ein Kuss!

Die Verfasserinnen meinen, dass „der Kuss ohne ihre Einwilligung“, während sie schlief, gegeben wurde, „was unmöglich wahre Liebe sein kann, wenn nur eine Person weiß, was da vor sich geht“. Daher empfehlen sie dem Disney-Konzern, das Drehbuch von Schneewittchen umzuschreiben, um den Kindern das richtige Denken zu vermitteln: „Hatten wir nicht schon vereinbart, dass in den frühen Disney-Filmen das Einverständnis ein zentrales Thema ist? Dass wir Kindern beibringen, dass Küssen nicht in Ordnung ist, wenn nicht beide Beteiligten dazu bereit sind?“, fragen die Journalistinnen. 

Das Ende canceln

Es sei daher nur schwer zu verstehen, warum das Disneyland im Jahr 2021 eine Szene darstellt „mit solch altmodischen Vorstellungen darüber, was ein Mann einer Frau antun darf, insbesondere angesichts des derzeitigen Schwerpunktes des Unternehmens, problematische Szenen aus den Attraktionen wie der Flussbootkreuzfahrt ‚Jungle Cruise‘ und der Wildwasserbahn ‚Splash Mountain‘ zu entfernen?“ Warum also sollte man sich nicht „ein neues Ende in Übereinstimmung mit dem Geist des Films und mit Schneewittchens Position im Disneykanon ausdenken, mit dem dieses Problem aber vermieden wird?“ DT/ks

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Meldung Walt Disney

Weitere Artikel

Eine TikTok-Videoproduktionsfirma plant eine auf der Welt des jungen Zauberers basierende Serie, die sexuelle und ethnische Vielfalt widerspiegeln soll. Allerdings ohne J. K.
20.01.2022, 08 Uhr
Meldung
Der Spielfilm „Living – Einmal wirklich leben“ erzählt vom Streben, am Ende das Leben zu genießen, aber auch etwas Sinnstiftendes zu tun.
18.05.2023, 14 Uhr
José García

Kirche

Zwei Ratzinger-Preisträger und fundierte Experten beleuchten einen blinden Fleck der modernen Theologie: den Zorn Gottes.
06.06.2023, 08 Uhr
Vorabmeldung
Rom sorgt für erstaunliche Meldungen. Die jüngste betrifft die Versetzung des ehemaligen Papstsekretärs als „Privatmann“ nach Freiburg.
04.06.2023, 11 Uhr
Guido Horst
Die ZdK-Vorsitzende sorgt sich um die Zukunft der deutschen Kirchenreform. Doch „wortbrüchig“ sind nicht die Bischöfe, sondern diejenigen, die ihre Vollmacht nun nicht mehr anerkennen wollen.
02.06.2023, 11 Uhr
Jakob Ranke
Abbé Thomas Diradourian spricht mit der „Tagespost“ über die Zukunft der Gemeinschaft Saint Martin in Deutschland.
02.06.2023, 16 Uhr
Manuel Hoppermann
Oberst Stefan Graichen ist seit 13 Jahren der militärische Leiter der deutschen Delegation bei der internationalen Soldatenwallfahrt in Lourdes.
05.06.2023, 11 Uhr
Oliver Gierens