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Westerngenre: Die Cowboys reiten wieder

Hit-Serien wie „Yellowstone“ erneuern das Westerngenre und lassen es wiederaufleben.
YELLOWSTONE, Kevin Costner
Foto: Paramount Network

Es ist noch gar nicht so lange her – da galten sowohl Cowboys als auch Indianer und beinahe alles, was in filmischer Hinsicht mit ihnen zu tun hat, buchstäblich als „Western von Gestern“. Dabei gehörten zumindest in der Frühgeschichte des US-Fernsehens gerade Western-Erzählstoffe zu deren wichtigsten Serienproduktionen: Egal ob „Bonanza“, „Big Valley“ oder „Rauchende Colts“, die mit 635 ausgestrahlten Folgen bis auf den heutigen Tag zur langlebigsten Realserie avancierte – auch hierzulande wurden diese und noch andere berühmte „Pferdeopern“ für ganze Generationen zu prägenden TV-Erlebnissen.

Doch nachdem bereits im Jahr 1959 in den USA sage und schreibe rund dreißig Westernserien parallel ausgestrahlt wurden (und das auf lediglich drei großen US-Sendern), setzte folgerichtig der bekannte Übersättigungseffekt ein und Stück für Stück verschwand im Laufe der kommenden Dekade eine Westernserie nach der anderen von den Mattscheiben. Hinzu kam, dass sich auch der Western selbst veränderte: Parallel zur Debatte über den Vietnamkrieg eroberten Mitte der 1960er Jahre italienische Regisseure wie Sergio Leone („Für eine Handvoll Dollar“, „Spiel mir das Lied vom Tod“)und Sergio Corbucci („Django“, „Leichen pflastern seinen Weg“) mit ihren brutalen und desillusionierenden „Spaghetti-Western“ die weltweiten Kinos. Deren Hauptprotagonisten, die vor allem einem jüngeren Publikum imponierten, waren brutale und zynische Antihelden, die überhaupt nichts mehr mit jenen aufrechten Helden und Patrioten gemeinsam hatten, wie sie bisher unter anderem von John Wayne oder James Stewart verkörpert worden waren.

„Die Einschaltquoten, welche die Serie gegenwärtig in den USA erzielt,
sind nur mit denen von absoluten Serienhits wie Game of Thrones‘
oder hierzulande dem Tatort‘ zu vergleichen:
Das Finale der vierten Staffel sahen in den USA rund elf Millionen Zuschauer“

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Das Amerika, das die Filme von Leone und Co. stattdessen zeichneten, war ein aus der Gewalt geborenes Land, in welchem Siedler, Glücksritter und Schwerverbrecher aufeinander trafen – ein einziger Abgesang auf den vermeintlichen „goldenen Westen“, der auf einer Fernsehmattscheibe in den 1960er- und 1970er-Jahren definitiv nichts verloren hatte. Lediglich Autorenfilmer des „New Hollywood“-Kinos der 1970er-Jahre wie Robert Altman („McCabe & Mrs. Miller“, 1971), Arthur Penn („Little Big Man“, 1970) oder Ralph Nelson („Das Wiegenlied vom Totschlag“, 1970) stimmten mit ihren europäischen Kollegen auf der großen Leinwand in dieses amerikanische Requiem ein – auf den kleineren Bildschirmen lief unterdessen „Unsere kleine Farm“.

Doch ab und an kamen die Cowboys immer mal wieder erfolgreich aus der Deckung: Spätwestern wie „Erbarmungslos“ (1992) von Clint Eastwood oder „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) von Kevin Costner eroberten Anfang der 1990er Jahre die Kinosäle und wurden mit zahlreichen Oscars ausgezeichnet. Zudem erlebten Westernklassiker wie „Die glorreichen Sieben“ (2016) mit Denzel Washington oder „Todeszug nach Yuma“ (2007) mit Russell Crowe erfolgreiche Remakes. Doch gerade letztere Erfolge wurden maßgeblich durch den Eindruck ermöglicht, den eine ganz bestimmte Serie auf dem amerikanischen Pay-TV-Sender HBO (unter anderem „Game of Thrones“ und „Die Sopranos“) machte, welche als eigentliche Reanimationsursache für das gesamte Western-Genre und zudem als eine der besten Serien aller Zeiten gilt: „Deadwood“.

Mit „Deadwood“ begann das Western-Revival

In drei Staffeln erzählte die von 2004 bis 2006 auf HBO gelaufene Serie die Erlebnisse zahlreicher Menschen in der (realen) Siedlung Deadwood in South Dakota in den Jahren 1876 bis 1877. Die Hauptperspektive nimmt hierbei Sheriff Seth Bullock (Timothy Olyphant) ein, der als einer der wenigen Gerechten in Deadwood immer wieder mit zwielichtigen Gestalten wie dem Saloonbesitzer und Gangster Al Swearengen (Ian McShane), der mit Frauen, Opiumhandel und Glückspielen sein übles Handwerk treibt, aneinander gerät. Die von  David Milch („NYPD Blue“) konzipierte Serie geizte sicherlich nicht mit Gewalt und nackter Haut – gleichzeitig gelang es ihr jedoch, einen wohl äußerst authentischen Blick auf die frühen Vereinigten Staaten zu werfen. Zynische und optimistische Charaktere treten hierbei gleichermaßen mit historischen Gestalten wie Calamity Jane, „Wild Bill“ Hickok und George Hearst in Erscheinung. 2019 durfte David Milch mit „Deadwood – der Film“ noch einmal zur Freude der zahlreichen „Deadwood“-Fans zu den Figuren seiner Kultserie zurückkehren.

Mit „Deadwood“ wurde das Western-Eis im Serienbereich gebrochen – seitdem treten die Cowboys wieder häufiger in Erscheinung. Während Serien wie „Hell on Wheels“ (Amazon Prime), „Godless“ (Netflix) oder „The Good Lord Bird“ (Sky) wieder direkt ins brutale 19. Jahrhundert eintauchen, sorgten Neo-Western-Serien wie die in der Jetztzeit spielenden Krimiserien „Longmire“ und „Justified“ (wieder mit „Deadwood“-Hauptdarsteller Olyphant) für ein zeitgemäßes Update des altehrwürdigen Genres. Im Juni startet zudem in den USA die Neo-Western-Krimiserie „Dark Winds“, produziert von Schauspiellegende Robert Redford und „Game of Thrones“-Erfinder George R. R. Martin. Auch in Science-Fiction-Serien wie „Westworld“ (HBO/Sky), der Star-Wars-Serie „The Mandalorian“ (Disney +) oder der vor kurzem gestarteten Serie „Outer Range“ (Amazon Prime) geht es äußerst westernhaft zu.

Vom Western zum Neo-Western

 

 

Der größte gegenwärtige Western- beziehungsweise Neo-Western-Hit ist jedoch die US-Serie „Yellowstone“ mit Oscar-Preisträger und Western-Veteran Kevin Costner. In der seit 2018 auf dem Paramount Network laufenden Serie, die hierzulande beim Streamingdienst Magenta TV ausgestrahlt wird, verkörpert Costner den skrupellosen Familienpatriarchen John Dutton, der seine weitläufige, in Montana gelegene Ranch gegen zahlreiche Gegner verteidigen muss – seine Gehilfen schrecken hierbei auch vor Mord nicht zurück. Die Einschaltquoten, welche die Serie gegenwärtig in den USA erzielt, sind nur mit denen von absoluten Serienhits wie „Game of Thrones“ oder hierzulande dem „Tatort“ zu vergleichen: Das Finale der vierten Staffel sahen in den USA rund elf Millionen Zuschauer. Auch die Prequel-Serie „1883“, welche im „echten“ Wilden Westen spielt, entwickelte sich in den USA Ende 2021 zum Quotenhit – ein weiteres Prequel („1932“) ist geplant.

Mit Blick auf Erfolgsserien wie „Yellowstone“ darf man feststellen: Die Cowboys reiten wieder – und werden gerade in Krisenzeiten anscheinend dringend gebraucht.

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