Japanische Netflix-Serie

Den eigenen Weg finden

Eine besondere „Coming-of-Age“-Geschichte in Japan: Die Serie „The Makanai: Cooking for the Maiko House“.
„The Makanai: Cooking for the Maiko House“
Foto: Netflix | Die zwei unzertrennlichen Freundinnen Sumire (Natsuki Deguchi, links) und Kiyo (Nana Mori) möchten in Kyoto Maiko werden. Auch wenn sie unterschiedlichen Wegen folgen, bleiben sie im selben Haus.

Der 1962 in Tokyo geborene Regisseur Kore-eda Hirakazu wurde 2004 durch den Spielfilm „Nobody Knows“ über vier auf sich allein gestellte Kinder in einer japanischen Großstadt, der beim Filmfestival Cannes den Preis für den Besten Hauptdarsteller gewann, weltweit bekannt. Familie stand immer wieder im Mittelpunkt von Kore-edas folgenden, regelmäßig beim japanischen Filmpreis sowie auf zahlreichen Filmfestivals weltweit ausgezeichneten Filmen, was sich teilweise in den Filmtiteln ausdrückte: „Still Walking“ (2008), „Vater und Sohn“ (2013), „Unsere kleine Schwester“ (2015). 

Familie versteht Kore-eda in einem sehr weiten Sinn, so etwa in „Shoplifters – Familienbande“ (2018), der für den Oscar nominiert und mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde. Auch die Netflix-Serie „The Makanai: Cooking for the Maiko House“ („Maiko-san Chino makanai-san“) – die erste Serie, die der japanische Regiemeister vor seinem aktuellen, in der nächsten Woche startendem Kinofilm „Broker – Familie gesucht“  entwickelt und als Regisseur gedreht hat – spielt sich innerhalb einer Familie eigener Art ab, dem Maikohaus („Okiya“).

Die Grundlagen der traditionellen japanischen Künste

Basierend auf dem Manga (japanischem Comic) „Kiyo in Kyoto: From the Maiko House“ von Aiko Koyama, der erstmals 2016 im Weekly Shōnen Sunday veröffentlicht wurde, erzählt die neunteilige Serie von zwei unzertrennlichen 16-Jährigen, die in Kyoto zu „Geiko“ – in Tokyo: „Geisha“ – ausgebildet werden möchten. Als Kiyo (Nana Mori) und Sumire (Natsuki Deguchi) im Haus Saku ankommen, kommen sie sich vor, „als wären wir in die Zeit zurückgegangen“. In der etwa fünf Jahre dauernden Ausbildung lernen die Maiko (Geiko-Auszubildende) die Grundlagen der traditionellen japanischen Künste, etwa der Teezeremonie oder des Spiels auf mehreren Musikinstrumenten. In „The Makanai: Cooking for the Maiko House” konzentriert sich die Ausbildung insbesondere auf den traditionellen Tanz. Die Vorsteherinnen werden „Mutter“ Chiyo (Keiko Matsuzaka) und „Mutter“ Azusa (Takako Tokiwa), die anderen Maiko „Schwestern“ genannt. Zu dieser „Familie“ gehören auch Vater und Sohn, die kleine Besorgungen oder Reparaturen vornehmen, und den Maiko etwa beim Anlegen der aufwändigen Kimonos helfen. Sie werden „Brüder“ genannt.

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Kore-eda folgt der Entwicklung der zwei Freundinnen, wobei sich Kiyo als „Ich-Erzählerin“ ... und im Gegensatz zu Sumire als ganz und gar nicht zur Maiko geeignet herausstellt. Dafür erweist sie sich als die geborene Köchin, und als die bisherige „Makanai“ aus Gesundheitsgründen ihre Arbeit aufgeben muss, übernimmt Kiyo die Stelle.

Die Serie konzentriert sich auf den Mikrokosmos des Gion-Gebiets von Kyoto sowie des Marktes, in dem Kiyo ihre Einkäufe tätigt. Das Essen und insbesondere auch die Zubereitung der Speisen spielen eigentlich die Hauptrolle. Denn die farbenfrohen Kimonos, in denen die Maikos ausgebildet werden oder die Geiko auftreten, finden ihre Entsprechung in den Speisen, in denen Kiyo ihre „Leidenschaft“ entdeckt – wobei dies weit mehr als Speisenzubereitung bedeutet: „Mir geht es gut, weil es allen anderen auch gut geht“, sagt sie einmal. Denn sie versinnbildlicht die gut getane Arbeit, das Gewöhnliche außergewöhnlich und das Außergewöhnliche gewöhnlich zu machen.

Etwas zu versöhnlich, etwas zu naiv

Die äußere Handlung von „The Makanai: Cooking for the Maiko House” beschränkt sich auf die kleinen Veränderungen im Maikohaus, vor allem aber auf die Interaktionen zwischen den dort lebenden „Schwestern“ und „Müttern“. Dazu kommen eine Vielzahl Figuren, etwa der Architekt, der Azusa den Hof macht, ohne dass er den Mut aufbringt, ihr endlich einen Heiratsantrag zu machen, oder die als beste lebende Geiko geltende Momoko (Ai Hashimoto), die zwischen Liebe und Karriere hin- und hergerissen ist, und Sumire als künftige Konkurrentin ansieht, und dennoch ihr in allem hilft.

Vielleicht ist der allgemeine Ton etwas zu versöhnlich, etwas zu naiv. Der eine oder andere kleine Konflikt, etwa zwischen Azusa und ihrer Tochter Ryoko (Aju Makita), die ebenfalls im Maikohaus wohnt, wird durch die ruhige und auf die ästhetischen Elemente bedachte Erzählweise heruntergespielt. Unter den vielen Figuren sticht der allwissende Barman Herr Ren, gespielt von „Shoplifters“-Hauptdarsteller Lily Franky, heraus. 

Mit ihrem einnehmenden, herzerwärmenden Lächeln und ihrer Hingabe erweist sich Kiyo als die zentrale Figur, die alle kleinen Dramen und Geschichten im Haus zusammenhält. Kore-eda schafft es, dass dies nie kitschig wirkt. Der Serienentwickler und Regisseur hat geäußert, dass er „falsche Vorstellungen über die Geisha“ zerstreuen möchte. 

Trotz der altmodischen Ästhetik und eines gewissen nostalgischen Blicks handelt „The Makanai“ vor allem von einer japanischen Abwandlung des „Coming-of-Age“-Genres: Kiyo und Sumire müssen ihren Weg zwischen Tradition und Moderne, zwischen Bestimmung und eigenem Willen finden. Dazu hilft insbesondere auch die hervorragende Chemie zwischen den beiden jugendlichen Schauspielerinnen.


„The Makanai: Cooking for the Maiko House“, Japan 2023. Serienentwickler: Hirokazu Kore-eda. 9 Folgen à 38 bis 46 Minuten. Auf Netflix.

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José García

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