Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Filmrezension

Alles Schlechte kommt von oben

„A Quiet Place: Tag Eins“ punktet zwar durch Menschlichkeit, lässt das erfolgreiche Horror-Franchise aber auch auf der Stelle treten.
Sam und Katze Frodo
Foto: IMAGO/Supplied by LMK (www.imago-images.de) | In „A Quiet Place. Day One“ schlagen sich Sam und Katze Frodo durch das alien-überrannte New York.

Wenn man an einen ruhigen Ort auf der Welt denkt, dann fällt einem mit Sicherheit nicht als erstes New York City ein. Genau das macht uns auch „A Quiet Place: Tag Eins“ von der ersten Filmminute an klar. Zu Beginn des Films wird die Information eingeblendet, dass der durchschnittliche Lärmpegel dieser Millionenmetropole bei 90 Dezibel liege und das sei die Lautstärke eines permanenten Schreis. Der Film, der seit Ende Juni in den Kinos läuft, ist ein ungewöhnliches Film-Projekt: Denn er ist sowohl ein Spin-off als auch ein Prequel innerhalb der spannungsgeladenen „A Quiet Place“- Horror-Thriller-Filmreihe, die 2018 begann und 2020 fortgesetzt wurde.

Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler John Krasinski („IF“, „The Office“) hätte sich wohl nie im Leben träumen lassen, dass seine beiden Low-Budget-Filme, die zusammen gerade mal 75 Millionen US-Dollar gekostet haben, wiederum ganze 638 Millionen US-Dollar einspielen würden und wohl auch nicht, dass daraus eines Tages ein ganzes Franchise-Universum mit Fortsetzungen und Filmablegern entstehen könnte. Nun haben wir den dritten Film dieser Reihe bekommen, der aber eben keine direkte Fortsetzung der ersten beiden Teile darstellt, sondern die Vorgeschichte zum ersten Teil erzählt. 

Eine (beinahe) komplett neue Besetzung

Mit Ausnahme von Schauspieler Djimon Hounsou („Gladiator“), der im zweiten Teil einen namenlosen Mann spielte, sind keine Darsteller der vorherigen Filme dabei. John Krasinski, der noch die beiden ersten Filme schrieb, inszenierte und eine tragende Rolle in ihnen spielte, fungiert bei „A Quiet Place: Tag Eins“ nur noch als Produzent. Dafür übernahm Michael Sarnoski jetzt den Regieposten und schrieb auch das Drehbuch. Er hatte sich mit dem Nicolas Cage Film „Pig“ (2021) einen Namen gemacht und schien der Richtige zu sein, um die Filmreihe weiterzuführen. 

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Sein Ableger-Film handelt nicht mehr von der Familie Abbott und ihrem weiteren Überlebenskampf, sondern verlegt den Handlungsort mit neuen Darstellern vom ruhigen Mittleren Westen der USA in das laute und hektische New York. Anstelle von Emily Blunt, John Krasinski und Cillian Murphy sehen wir nun Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong’o aus „Black Panther“ und „Stranger Things“-Star Joseph Quinn als Sam und Eric, die sich durch eine von geräuschempfindlichen Aliens überrannte Welt schleichen müssen. Denn in „A Quiet Place: Tag Eins“ geht es um den ersten Tag der Alien-Invasion, die sich bei der Jagd auf ihre Beute ganz auf ihr Gehör verlassen, da sie nicht sehen können: Praktisch aus dem Nichts heraus und ohne jegliche Vorwarnung wird New York City plötzlich das Ziel einer gewaltigen Alien-Invasion – und die blutrünstigen Kreaturen schnappen sich jeden Menschen, der ihnen über den Weg läuft geschweige denn nur einen Laut von sich gibt. Denn die außerirdischen Monster scheinen sich nämlich nur anhand von Geräuschen in ihrer Umgebung orientieren zu können. Sofort ist den Überlebenden klar: Wer in ihrer Nähe auch nur einen Mucks von sich gibt, aus Unachtsamkeit, Angst oder Schmerz, hat damit praktisch sein Todesurteil unterschrieben, denn die monströsen Gestalten lauern scheinbar überall und reagieren innerhalb von Sekunden. 

Ein letztes Mal die Lieblingspizza essen

Die todkranke Sam, ihre Katze Frodo (wer denkt da nicht sofort an „Der Herr der Ringe“) und der junge Engländer Eric versuchen sich entgegen dem Evakuierungs-Rat der Regierung in den Norden der Stadt durchzuschlagen, weil Sam noch ein letztes Mal dort ihre Lieblingspizza essen möchte, bevor sie stirbt. Frodo und Eric folgen ihr dabei auf Schritt und Tritt und werden immer wieder von den gefährlichen Aliens bedroht. Dabei entwickelt sich zwischen den Akteuren eine intensive Freundschaft - sie erfahren Menschlichkeit unter lebensbedrohlichen Bedingungen und lernen den Wert eines befreienden Schreies zu schätzen. 

Schon der zweite „A Quiet Place“-Film ging zu Beginn an den Anfang der Ereignisse zurück. Nachdem der erste Teil einsetzt, als die Aliens bereits 89 Tage auf der Erde sind, gibt es am Anfang von Teil Zwei, bevor dieser später direkt an die Ereignisse von Teil Eins anschließt und am Tag 474 beginnt, zunächst einen 11 Minuten langen Rückblick, der zeigt, wie die Außerirdischen erstmals über eine kleine Stadt hergefallen sind. Das wird beim neuen Film nun wieder aufgegriffen und in noch größeren Dimensionen in 99 Minuten gezeigt. Höher, schneller, weiter, exzessiver: Auch dieser Survival-Thriller, für den man die Vorgängerfilme nicht unbedingt gesehen haben muss, folgt dem üblichen Muster vieler anderer Fortsetzungen. 

Viel Atmosphäre, aber zu wenig Neues

Das ist bedauerlich, denn grade die kleinen, leisen und intimen Momente der beiden Vorgänger-Filme haben die Qualität der Reihe ausgemacht und für Hochspannung gesorgt, beispielsweise wurden interessante Möglichkeiten vom alltäglichen Überleben in Geräuschlosigkeit und von Bewegung in Stille durchgespielt. Das ist jetzt in einer riesigen Stadt wie New York City natürlich deutlich schwieriger umzusetzen als in der ländlichen Umgebung der ersten zwei Filme. 

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Das Spiel mit dem Leisesein wird in „A Quiet Place: Tag Eins“ also weniger; stattdessen gibt es ein Spiel mit dem Lautsein: Wer die Aliens ablenken will, etwa von der Verfolgung anderer Menschen, hat zahllose Gelegenheiten, sie durch schnellen Lärm wegzulocken. Die Kontraste innerhalb der Filmreihe sind eine interessante Bereicherung der stillen Prämisse; zudem gibt es den Protagonisten mehr Handhabe gegen ihre Angreifer, als sie es in den früheren Filmen hatten. Das Setting eines komplett zerstörten New York erinnert dabei sicherlich nicht zufällig an die Terroranschläge vom 11. September. Wenn Sam mit Schutt und Asche bedeckt durch die Straßen taumelt, weckt dies unweigerlich beängstigende Assoziationen an entsprechende 9/11-Bilder. 

Zufluchtsort Kirche

Abseits dessen spult „A Quiet Place: Tag Eins“ aber leider nur das aus den Vorgängern allseits bekannte Programm ab. Der Versuch, die Prämisse zu ändern und nicht mehr der Familie Abbott beim Überleben zu folgen, wird schlussendlich nur halbherzig umgesetzt. Was anfangs wie eine durchaus interessante Exzess-Steigerung mit mehr Außerirdischen und mehr Opfern wirkt, wechselt dann bald doch wieder in eher ruhige, schweigsame Gefilde, die aber nie die schier atemlose Spannung der beiden Vorgänger erreichen. 

In diesem etwas halbgaren Film, der wenig Neues bietet, weil er vor allem bekannte Muster noch einmal aufwärmt und sie lediglich variiert, gibt es aber noch ein kleines Highlight: Eine orthodoxe Kirche, die einigen Überlebenden als Zufluchtsort dient. Man darf gespannt sein, wie sich das Franchise nun weiterentwickeln wird und ob es, neben dem geplanten „A Quiet Place 3“, der bereits 2025 in die Kinos kommen soll, weitere Spin-offs geben wird, die an anderen Orten auf der Welt spielen und die Auswirkungen der Alien-Invasion dort zeigen können. 

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