Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um „5 vor 12“

Zentrum für politische Verantwortungslosigkeit

Das massiv behinderte ARD-Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel schlägt weiterhin hohe Wellen. Nun rückt der Störungsurheber, das „Zentrum für politische Schönheit“, ins Visier.
Lautsprecherbus des Zentrums für politische Schönheit
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur (www.imago-images.de) | Öfter auf Anti-AfD-Protesttour: der Lautsprecherbus des Zentrums für politische Schönheit, der "Adenauer SRP+".

Ein Interview, bei dem weder der Interviewer noch die Interviewte ihr eigenes Wort verstehen konnten beziehungsweise sollten – dies war der Fall, als die AfD-Politikerin Alice Weidel im Rahmen eines ARD-Sommerinterviews versuchte, Rede und Antwort zu stehen. Doch eine Störaktion des Künstlerkollektivs „Zentrum für politische Schönheit“, das über den umgebauten ehemaligen Gefangenentransporter „Adenauer SRP+“ lautstark Musik abspielte und zudem unablässig Anti-AfD-Parolen skandierte, erschwerte die Interviewführung am Sonntagabend, die unter freiem Himmel am Berliner Spreeufer stattfand. Und zwar so massiv, dass das vom ARD-Hauptstadtstudioleiter Markus Preiß geführte Interview mit der AfD-Politikerin kurz vor dem Abbruch stand.

Lesen Sie auch:

Als nichts weniger als eine „Stauffenberg-Tat“ bejubelte der Gründer des „Zentrums für politische Schönheit“, Philipp Ruch, gegenüber „Bild"-Journalist Paul Ronzheimer die gezielte Störung beziehungsweise den versuchten Abbruch des Weidel-Interviews durch ihn und sein Team – und raunte außerdem, dass er wisse, dass Polizei, ARD sowie sein Künstlerkollektiv gemeinsame Sache am Sonntagabend gemacht hätten. Eine Aussage, die am Mittwoch von der Berliner Polizei zurückgewiesen worden ist.

Mit Neutronenbomben auf politisch Andersdenkende schießen

Während sich Ruch für seinen vermeintlichen Coup verbal auf die eigene Schulter klopft, hat die Berliner Polizei zwei Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Die richten sich gegen eine 64 Jahre alte Frau und einen 39 Jahre alten Mann, die sich unter den Anti-AfD-Demonstranten befanden, wie die Polizei am Montag mitteilte. Und auch der von seiner eigenen vermeintlichen Bedeutsamkeit anscheinend ausgesprochen eingenommene Ruch sowie sein „Zentrum für politische Schönheit“ rücken stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Denn schon seit geraumer Zeit fällt das „Zentrum für politische Schönheit“ immer wieder mit ebenso öffentlichkeitswirksamen wie geschmacklosen Aktionen auf. So legten die Aktivisten 2015 in Berliner Parks symbolische Gräber für im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge an – und zwei Jahre später errichteten die Aktionskünstler neben dem Wohnhaus des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke ein Holocaust-Mahnmal: eine Aktion, die einen demokratisch gewählten Politiker, der zwar gerichtlich als „Faschist“ bezeichnet werden darf (Stichwort Meinungsfreiheit), in die Nähe des Menschheitsverbrechens der Shoah rückt – und dieses Verbrechen sowie dessen  Opfer damit banalisiert. Der Ausdruck „Mit Kanonen auf Spatzen schießen“ reicht nicht mehr aus, wenn es darum geht, auf die Unverhältnismäßigkeit beziehungsweise Art und Weise hinzuweisen, mit der das „Zentrum für politische Schönheit“ agitatorisch gegenüber politisch Andersdenkenden vorgeht.

Unfreiwillige AfD-„Mitarbeiter des Monats“

Dass Kritik an politischen Zuständen, Parteien und Personen scharf und polemisch formuliert werden kann, versteht sich in einer Demokratie von selbst. Doch die historische Erfahrung (auch mit Blick auf das Ende der Weimarer Republik) zeigt:  je ätzender und kompromissloser solche Kritik am politischen Gegner vorgetragen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese weder beim Empfänger noch interessierten Unbeteiligten in gleichem Maße ankommt - sondern eher die kritisierten Zustände zementiert, wenn nicht gar verschlimmert, als diese zu verändern.

Wer also die AfD aus den bundesdeutschen Parlamenten vertreiben will – wofür es gute Gründe geben kann – muss dies tun, indem er diese programmatisch stellt. Hierfür muss den Politikern dieser Partei das Wort erteilt und nicht versucht werden, diesen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu versagen - und das noch dazu mit geschmacklosen, letztendlich die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnenden Stör- und Protestaktionen, die mitnichten der demokratischen Kultur, sondern deren Gegnern Auftrieb verleihen. Doch bevor dies erkannt wird, muss vermutlich noch reichlich Wasser die Spree hinunterfließen.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung-  Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Ahrens Alice Weidel Alternative für Deutschland Björn Höcke Holocaust Meinungsfreiheit

Weitere Artikel

Die CSU-Politikerin Ilse Aigner im Gespräch über Grundsätzliches: über Gefahren für die Demokratie, die Aufgaben eines Parlamentes und warum sie ihre Zukunft weiter in Bayern sieht.
01.05.2025, 07 Uhr
Sigmund Gottlieb
Das Recht, die eigene Meinung frei zu äußern, ist eine historische Errungenschaft. Aber was ist Meinungsfreiheit? Und wie weit reicht sie? Eine historische und philosophische Einordnung 
09.08.2025, 11 Uhr
Sebastian Ostritsch

Kirche

In Rom hatte Arnold Schwarzenegger seinen großen Auftritt und trifft heute mit Leo XIV. zusammen. Anlass ist eine Klima-Konferenz im Geist von Papst Franziskus.
01.10.2025, 09 Uhr
Guido Horst