Er war Religionsphilosoph, Kulturanthropologe, frommer Katholik – und einer spannendsten Denker des 20. Jahrhunderts: Die Rede ist von René Girard (1923-2015), der mit Werken wie „Das Heilige und die Gewalt“ (1972), „Der Sündenbock (1982) und „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums“ (1999) den Blick auf den Menschen revolutionierte.
Girards Psychologie des Begehrens
Denn Girard, von 1981 bis 1995 an der Stanford University Professor für Französische Sprache, Literatur und Zivilisation, widmete sich vornehmlich der sogenannten Psychologie des Begehrens – und entwickelte hierzu seine Theorie des mimetischen Begehrens beziehungsweise Nachahmens. Diese Theorie, die Girard schlagartig berühmt machte, geht davon aus, dass Menschen nicht nur zutiefst neid-, hass- und gewalterfüllt sind, sondern dass diese nur dasjenige begehren, was andere begehren, nicht weil sie es tatsächlich haben wollen – sondern weil sie den Drang verspüren, die Wünsche anderer nachzuahmen. Das beginnt ganz harmlos beim neuen Auto des Nachbarn, das sogleich Gefühle des Neides und des „Haben-Wollens“ auslöst. Denn nicht nur will man haben, was der Andere hat: Man will ihn eigentlich darin noch übertreffen. Man ahnt, dass, je größer solche Wünsche werden, auch die Hemmungen bezüglich der Wahl der Mittel sinken, um sich diese zu erfüllen.
Ein Vordenker des Silicon Valley?
In der kommenden Ausgabe der „Tagespost“ wird aus Anlass des bevorstehenden 100. Geburtstag Girards am 25. Dezember dessen Denken und Einfluss vorgestellt. Während „Tagespost“-Autor Urs Buhlmann die wichtigsten Grundzüge der Philosophie René Girards nachzeichnet, wird „Tagespost“-Redakteur Stefan Ahrens dessen Einfluss auf die Tech-Pioniere des Silicon Valley vorstellen – denn Tech-Investoren wie Peter Thiel, die bei Girard in Standford studierten , geben unumwunden zu, dass die Theorie des mimetischen Begehrens bei der Konzeption von Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram als Blaupause dienten. DT/sta
Inwiefern René Girard zurecht als Vordenker des Silicon Valley bezeichnet werden kann und weswegen er der festen Überzeugung gewesen ist, dass nur das Christentum für ein Ende jeglicher menschlicher Gewalt sorgen wird, erfahren Sie in der nächsten „Tagespost“.