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Otto, Monty Python & Co.

Der WDR präsentiert alte Sendungen des ostfriesischen Komikers mit „Disclaimer“ – wie wird es bei der Bühnen-Adaption von „Das Leben des Brian“ im Jahr 2024 laufen?
Komiker Otto Waalkes
Foto: Hannes P Albert (dpa) | Der WDR bietet alte „Otto-Shows“ in seiner Mediathek an – mit Warnhinweis: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt.

Ende Juli wurde der Komiker Otto Waalkes 75 Jahre alt. Der WDR bietet aus diesem Anlass alte „Otto-Shows“ in seiner Mediathek an – mit Warnhinweis: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.“ „Disclaimer“ nennt man so etwas in der Fachsprache. Er dient dazu, sich rechtlich vom Inhalt zu distanzieren. Man will nicht haftbar gemacht werden. Der nächste Schritt wäre dann, derartige historische Sendungen ganz aus dem medialen Vorrats-Programm zu streichen, weil sich der Inhalt trotz Warn- oder Distanzierungshinweis moralisch nicht mehr vertreten lässt. 

Absurd? Vielleicht, doch derartige Phänomene von „Soft Censorship“ sind längst gang und gäbe. Nicht nur in den Medien und bei Komikern, sondern auch bei Verlagen und an Universitäten. Sogar beim Umgang mit Klassikern wie Shakespeare oder Dante.

Satire lebt von bewussten Tabuverletzungen

Was dahinter meistens steckt und gern mit dem Vorwurf der „Cancel Culture“ kritisiert wird, ist die Haltung auf Seiten der Medienanbieter, dass Rezipienten von Unterhaltungs- oder Kulturangeboten eine gewisse pädagogische Betreuung brauchen, weil sie selbst nicht in der Lage seien, Propaganda, Rassismus oder andere diskriminierende Weltanschauungen zu entlarven. Eine alte medienwissenschaftliche Denkweise, die durch die „Cultural Studies“ und das Konzept vom „aktiven Rezipienten“, der souverän und subversiv mit Kulturprodukten umzugehen versteht, eigentlich als widerlegt galt, nun aber offenbar ein Comeback feiert. Man traut den Menschen im Social-Media-Zeitalter nicht mehr zu, frei denken und differenzieren zu können.   

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Dass es im Fall von Otto ausgerechnet einen Komiker trifft, ist jedoch nicht ganz so absurd, wie es auf den ersten Blick scheint. Leben gerade Satire und Kabarett – in Abgrenzung zu systemkonformen Blödeleien, die es immer schon gab – doch von bewussten Tabuverletzungen, Grenzüberschreitungen. Das mussten vor fast 45 Jahren auch die britischen „Monty Python“-Komiker erleben. Der Jesus-Film „Das Leben des Brian“, inzwischen ein Klassiker des britischen Humors, über den auch Christen lachen und lächeln können, löste damals im Königreich und in den Vereinigten Staaten Widerstand und Empörung aus. In manchen Gegenden durfte der Film wegen des Vorwurfs der „Blasphemie“ nicht aufgeführt werden.

Nun ist der Stoff wieder ins Gerede gekommen, aber aus ganz anderen Gründen. Bei einer für 2024 geplanten Bühnen-Adaption, hieß es, es sei angedacht worden, die berühmte Szene, in der Stan von der „Volksfront von Judäa“, gespielt von Eric Idle, über sein Bedürfnis spricht, Loretta genannt zu werden und als Mann Kinder zu gebären, zu canceln. Denn: Hat nicht jeder „Trans-Mensch“ inzwischen das Recht dies zu tun, worüber damals gespottet wurde? Ober-„Monty Phyton“-John Cleese hat inzwischen jedoch klargestellt, dass er „selbstverständlich keine Absicht“ habe, die Stelle zu streichen.

Ein Text besitzt etwas Dynamisches

Man sieht: ein Text, egal ob er der Hoch- oder Unterhaltungskultur zuzuordnen ist (was auch nicht immer so einfach zu unterscheiden ist), besitzt etwas Dynamisches. Er führt eine Art Eigenleben in einem sich stets wandelnden kulturellen und gesellschaftspolitischen Kontext. Auf den „Monty Python“-„Disclaimer“ 2024 darf man gespannt sein.

Das Thema „Cancel Culture“ wird im Rahmen des kommenden „Themas der Woche“ ausführlich untersucht. Lesen Sie den Text in der kommenden Ausgabe der „Tagespost"

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