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Mit Kant zum Frieden

Gegen das Unrecht in der Welt stellte Immanuel Kant seine praktische Philosophie und Rechtslehre. Seine Utopie des "ewigen Friedens" erscheint aktueller denn je.
Original-Manuskript von Kants Schrift "Zum ewigen Frieden"
Foto: xGRANGER (imago-images) | Aus dem Original-Manuskript von Kants Schrift "Zum ewigen Frieden".

Ein flächendeckender Weltenbrand zerstört derzeit wieder menschliche Existenzen. Ob in der Ukraine oder dem Nahen Osten – der Krieg erweist sich als großes Drangsal einer Menschheit, die eigentlich nach Frieden dürstet. Wie im Zweiten Weltkrieg die ehemalige Königlich Preußische Haupt- und Residenzstadt Königsberg in Schutt und Asche gelegt wurde, regiert heute der Leviathan, das übermächtige Ungeheuer – mit unvorstellbarer Macht und Gewalt.

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In diesem Königsberg wurde vor 300 Jahren der Superstar der Philosophie, Immanuel Kant (1724-1804), geboren. Und 300 Jahre nach seiner Geburt gleicht die Welt wieder einem Karfreitag – trotz Aufklärung und dem mit ihr verbundenen Optimismus des Siegeszuges der Vernunft. Doch die Aufklärung ist in ihr Gegenteil gekippt, die Dialektik der Rationalität endet im Wahnsinn, im Imperialismus eines Putins, die sich jeder Vernunft entziehen.

Kants Kampf gegen Unrecht

Kant war es einst, der das Feuer der Vernunft neu anzündete, der gegen alles Unrecht seine praktische Philosophie und Rechtslehre stellte. Den für alle Menschen geltenden kategorischen Imperativ entwarf er als kritische Prüfung von Handlungen und Normen: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“

Und gegen die Kriegswüten seiner Zeit hatte Kant 1795 seine berühmte Schrift „Zum ewigen Frieden“ geschrieben: Der Königsberger Philosoph, für den das radikal Böse als Naturzustand zum Wesen des Menschen gehört, will Frieden – der, eben weil er kein natürlicher Zustand ist, erst gestiftet werden muss.

Für Diplomatie werben

Nur eine republikanische Rechtsordnung ist die Garantie für diesen Vernunftsfrieden – und Despoten und Oligarchen à la Putin widersprechen der republikanischen Idee des Rechtes per se. Kein Staat, so Kant, der neben dem Staatsbürgerrecht die Idee vom Völkerbund und das Weltbürgerrecht entwirft, darf sich in die Verfassung und Regierung eines anderen einmischen.

Der Krieg gegen die Ukraine wäre für ihn demnach eine klare Verletzung dieses Grundsatzes. Dennoch ist für den Philosophen Frieden nicht dadurch zu erreichen, dass immer mehr Waffen geliefert werden, nicht dadurch, dass der Krieg verlängert wird und damit das Töten auf beiden Seiten kein Ende findet. Vielmehr würde Kant, wie unlängst Papst Franziskus, für Diplomatie werben, für einen Frieden auf Basis der Vernunft.

Kants Utopie ist aktueller denn je

Wirkliche Staatsklugheit müsste auf Friedensverhandlungen hinwirken. Gerade in einer Zeit, die nach dem Zusammenbruch des Kalten Krieges auf einen neuen Weltenbrand zusteuert, ist Kants Utopie eines ewigen Friedens heute aktueller denn je. Dem Unrecht des Naturzustandes lässt sich nur mit einer universalen Rechtssicherheit, die das menschliche Leben verbindlich regelt, begegnen.

Wenn die dämonischen Kriegstreiber bar jeder Vernunft zündeln, obliegt es der Weltgemeinschaft dennoch an den Verhandlungstisch zu treten. Denn Krieg bleibt für den Aufklärer die „Umkehrung des Endzwecks der Schöpfung selbst“.


Der Autor ist Pressesprecher der Diözese Regensburg.

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