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Kirchliche Kunst als Raubgut: Gott bewahre!

Ob Grünes Gewölbe in Dresden oder der Louvre in Paris: Auch für gläubige Christen aller Bekenntnisse gewinnt der zunehmende Kunstraub eine zusätzliche Relevanz.
Kunstraum im Louvre
Foto: IMAGO / UPI Photo | Geld für Gold anstelle von Kunstwert – so lautete die Devise nach Angaben der französischen Polizeikräfte. Insofern passt der spektakuläre Einbruch in den Louvre perfekt ins Bild: Die Einbrecher haben das bekannteste ...

Der Raub der Juwelen aus dem Dresdner Grünen Gewölbe ist noch in frischer Erinnerung. Die Schätze konnten nur teilweise sichergestellt und restauriert werden.  Die Urteile für die Täter sind rechtskräftig. Aber nicht alle Verurteilten sind in Gewahrsam oder haben ihre Strafe regulär angetreten. Einige sind im offenen Vollzug oder haben noch Ladungen zum Haftantritt offen: „Frei bis zum Vollzugsbeginn“ heißt hier die Formel. Vom Halberstädter Goldmünzenraub blieb nur noch ein eingeschmolzener Klumpen des Edelmetalls.

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Kunstraub nimmt weltweit zu, vier bis sechs Milliarden jährlich beträgt der Wert geraubter und gestohlener Kunstgegenstände. Die Täterstrategien haben sich verschoben: Nicht mehr der gemalte Raffael oder die in Marmor gehauene Aphrodite stehen im Fokus, sondern Gold und Edelsteine lieben die Kunsträuber von heute noch viel mehr. Die eleganten, kriminellen Kunstkenner mit Larve im schwarzen Kostüm sind brutalen Gangstern gewichen, die sich nur noch für den Materialwert interessieren. Die Beute wird gewogen und taxiert, Karat und Reinheit zählen mehr als Entstehungsjahr und Provenienz.

Geld für Gold anstelle von Kunstwert

Geld für Gold anstelle von Kunstwert – so lautete die Devise nach Angaben der französischen Polizeikräfte, die sich auf Museumsdiebstähle spezialisiert haben. Insofern passt der spektakuläre Einbruch in den Louvre perfekt ins Bild. Merkwürdigerweise haben die Einbrecher das bekannteste Einzelstück, den sogenannten „Regent-Diamond“ einfach liegen lassen: 140 Karat einfach in der Vitrine vergessen. Das schmerzt die Täter wohl noch mehr als die Krone der Kaiserin Eugenie, die offensichtlich vom Motorroller-Gepäckträger auf der Flucht heruntergefallen ist und nun restauriert wird. Immerhin ist das gute Stück wieder da, die letzte französische Kaiserin war für ihre Liebe zu edlem Schmuck bekannt.

Für gläubige Christen aller Bekenntnisse gewinnt der zunehmende Kunstraub eine zusätzliche Relevanz. Wie die Londoner Tageszeitung „Times“ unlängst berichtete, betreffen im Vereinigten Königreich etwa acht Prozent der Kunstdiebstähle kirchliches Eigentum. In Deutschland meldete die Nachrichtenagentur KNA erst im August, dass „Diebstähle und Vandalismus an Kirchengebäuden und Gräberanlagen“ über die letzten zwei Jahre bei mehreren tausend Fällen lagen und dass in den letzten Jahren die Diebstähle wertvoller sakraler Kunstgegenstände stark gestiegen sind. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden im letzten Jahr ungefähr 750 Diebstähle aus Kirchen gemeldet, in Baden-Württemberg 550, dazu zählen allerdings auch aufgebrochene Opferstöcke und zum Beispiel teure, technische Sachgegenstände. Fast 3.000 gemeldete Einbrüche in Kirchen, Klöster und Kapellen kommen so zusammen – jedes Jahr. Die Dunkelziffer ist hoch, wie man sich vorstellen kann. Für viele Kirchen gibt es keine regelmäßige Inventarprüfung.

Angst und bange kann einem werden, wenn man sich vorstellt, welche Schätze des Weltkulturerbes relativ ungeschützt der Gefahr von Einbruch und Raub ausgesetzt sind. Zwar gelten die Domschatzkammern hierzulande als einigermaßen gut gesichert, aber die Schutzstandards sind aus einer Zeit, in der man sich die rücksichtslose Brutalität und technische Finesse der Gangster im aktuellen Umfang noch nicht vorstellen konnte.

Sorge um liturgisches Gerät wie Kelche und Monstranzen

Die staatlichen Mittel, die zur Sicherung von Kunst in Museen und Sammlungen bereitgestellt werden, reichen bei Weitem nicht aus. Viel schlimmer sieht es aber bei den klammen Kirchen aus. Wie sollen die unermesslichen Schätze des Menschheitsgedächtnisses, die allein in Deutschland lagern, überhaupt zuverlässig geschützt werden? Da muss man fast dankbar sein, dass die meisten Kunsträuber eher nicht zu den sonntäglichen Kirchgängern gehören, denen bei dieser Gelegenheit liturgisches Gerät wie Kelche und Monstranzen, wertvolle Gemälde und Skulpturen ins Kennerauge springen.

Vielleicht erklärt sich das laute Schweigen der Prälaten zum Kunstraub in Kirchen und zum Schutz der Schätze auch dadurch, dass man lieber gar nicht über die wertvollen Stücke reden will, die man ohnehin kaum wirklich schützen kann. Erst wenn in Essen das Theophanu-Kreuz aus der Domschatzkammer verschwindet und das Bernward-Kreuz in Hildesheim auf dem Anhänger abtransportiert wird, dürfte sich substanziell etwas ändern. Bis dahin heißt es wohl: Gott bewahre!

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