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Franziskus will Seligsprechungsprozess für König Baudouin

„Den Schrei der Armen nicht ignorieren“: Bei der Papstmesse in Brüssel geißelt Franziskus den „Eigennutz“ – und erfreut die Belgier mit einer spektakulären Ankündigung.
Papst Franziskus  im Baudouin-Stadium
Foto: Medienhaus Brüssel | Von den nicht allzu vielen gläubigen Katholiken Belgiens waren dann doch rund 40.000 da: der Papst im Baudouin-Stadium.

Nur noch etwa sechs bis zehn Prozent der Belgier gehen zur Messe, die Kirchen leeren sich an Sonntagen. Doch fast 40.000 Menschen kamen an diesem Sonntagmorgen um 10.00 Uhr zur Eucharistiefeier mit Franziskus ins Brüsseler König-Baudouin-Stadion. Und die haben ihren Papst frenetisch gefeiert. Sogar Staatsoberhaupt König Philippe war anwesend, nebst seinen Eltern König Albert und Königin Paola. Auch sein Bruder Laurent mit Frau, die vielleicht nach Italien auswandern wollen, wie sie kürzlich wissen ließen. Und sogar Alberts uneheliche Tochter, Prinzessin Delphine. Auch für die gesamte königliche Patchwork-Familie brandete sehr freundlicher Applaus auf im Stadionrund. Und ihrerseits dürfte es auch in der königlichen Familie große Freude über Franziskus‘ Auftritt im Stadion gegeben haben – doch dazu später mehr.

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In der Predigt ging es um Armut, es ging um Heiligkeit und wie beides zusammenhängt. Auch dass dieser Pontifex kein großer Fan des Kapitalismus ist, hat er noch einmal klar gemacht. „Der Egoismus ist“, so erinnerte der Heilige Vater in seiner Predigt an die betreffenden Psalmen, „wie alles, was die Liebe verhindert, ein Ärgernis, weil er die Kleinen erdrückt, die Würde des Menschen erniedrigt und den Schrei der Armen erstickt.“ Wie schon in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“, warnte er: „Wenn man dem Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften allein die Prinzipien des Eigennutzes und allein die Gesetzmäßigkeiten des Marktes zugrunde legt, entsteht eine Welt, in der es keinen Platz mehr gibt für die, die in Schwierigkeiten sind, keine Barmherzigkeit für die, die Fehler machen, kein Mitgefühl für die, die leiden und nicht zurechtkommen.“ Am heutigen Weltflüchtlingstag bezog er dies konkret auf die Migrationskonflikte unserer Zeit. Gottes Wort sei hier eindeutig: Man dürfe die „Klagerufe der Erntearbeiter“ und den „Schrei der Armen“ nicht ignorieren.

Heilige und Selige von Gestern und Heute

Der Papst forderte die Gläubigen auf, das Evangelium der Barmherzigkeit zur Grundlage zu machen, ganz so wie die Heiligen es getan haben. „Die belgische Kirche hat eine Geschichte, die reich ist an Beispielen der Heiligkeit“, erinnerte er. Die Heilige Gudula, Schutzpatronin des Landes, der Heilige Guido von Anderlecht, ein Pilger und Freund der Armen, der sich noch heute im Wappen des belgischen Fußball-Rekordmeisters RSC Anderlecht findet, und nicht zuletzt Pater Damian de Veuster, der Heilige von Molokai und Apostel der Aussätzigen. Diesen und vielen weiteren Heiligen fügte Franziskus am Sonntag noch eine Selige hinzu. Die Anna von Jesus genannte Karmelitin, geboren in Spanien, gestorben in Brüssel, eine Reformerin und Klostergründerin im Umfeld der Theresia von Avila. Eine bedeutende Frau der Kirche, die in der beginnenden Neuzeit als „geistlicher Magnet“ und mit Nächstenliebe viele Menschen zum Glauben zurückgebracht habe.

Doch damit nicht genug: die Liste der Seligen könnte auch in Zukunft wachsen. Überraschend – wenigstens für Nichtbelgier – verkündete der Papst, nach Seiner Rückkehr auch einen  Seligsprechungsprozess für König Baudouin (1930-1993) zu eröffnen. „Möge sein Vorbild als Mann des Glaubens die Regierenden erleuchten“, sagte Franziskus. Er bitte die belgischen Bischöfe darum, „diese Sache voranzubringen“. Baudouin, der als strenggläubiger Katholik bekannt war, weigerte sich 1990, ein liberales Abtreibungsgesetz zu unterzeichnen, weil er dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Die Regierung Belgiens erklärte ihn damals – auf eigenen Wunsch – vorübergehend für regierungsunfähig, um das Gesetz trotzdem erlassen zu können. 

„Die Krankheit des Missbrauchs muss geheilt und Täter müssen bestraft werden“

Vorhersehbarer stand auch der Missbrauch wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Noch einmal ganz eindeutig und außerhalb des vorab verbreiteten Redetextes wies Franziskus nicht nur die belgischen Bischöfe an, solche Fälle nicht unter den Tisch zu kehren: „Die Krankheit des Missbrauchs muss geheilt und Täter müssen bestraft werden“, sagte er wörtlich. In diesem Zusammenhang musste sogar noch ein Lied aus dem im Stadion verteilten Gesangbuch zur Messe in letzter Minute ausgetauscht werden. Denn dem kürzlich verstorbenen Komponisten des eigentlich vorgesehenen „Magnificat“, Paul Schollaert aus Hasselt, wurde kurz vor der Messe von jemandem vorgeworfen, in den 70er Jahren sexuellen Missbrauch betrieben zu haben.

All dies konnte dem feierlichen Rahmen und der fröhlichen Sonntagsstimmung keinen Abbruch tun. Sogar theologisch wurde es noch. Der Papst möchte nämlich dem Angelusgebet neues Leben einhauchen: „Dieses Gebet, das bei den vergangenen Generationen sehr beliebt war, verdient es, wiederentdeckt zu werden“, so der Papst. Es sei eine Zusammenfassung der Geheimnisse des christlichen Glaubens, das die Kirche uns lehrt, in unseren Tagesablauf zu integrieren.

Alle Teilnehmer am gigantischen Gottesdienst vertraute er der heiligen Mutter an. Im Vertrauen auf die Fürsprache Mariens erbat er von Gott das Geschenk des Friedens für – wie er sagte - die gepeinigte Ukraine, für Palästina und Israel, für den Sudan, für Myanmar und alle vom Krieg verwundeten Länder.

Sogar die Deutschen, Franzosen und Niederländer, die eigens für diese Messe angereist waren, schloss er ausdrücklich in seine Schlussworte ein. „Danke an alle! Und weiter en route, avec Espérance, hoffnungsvoll unterwegs.“

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Thomas Philipp Reiter Apostel Bischof Damian de Veuster Heilige Katholikinnen und Katholiken Päpste

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