Nicht von der Kirche aufgestellte Regeln befolgen ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Aber weder will ich in einer Isolierstation an Lungenentzündung verrecken noch mit bleibender Lungeninsuffizienz überleben im Bewusstsein, durch Leichtsinn andere infiziert zu haben. Also übe ich mich gegenüber lästigen staatlichen Verordnungen im Gehorsam. Dabei gibt es keine absolute Sicherheit; der Vorsichtigste kann infiziert werden. Ich mache mir Sorgen um Menschen, die ich kenne und liebe. Eine Bekannte ist an Covid19 erkrankt. Andere sind in Hochrisikogruppen. Mehrere sind in Quarantäne. Ich kann nur hoffen und beten.
Amputiert und verbannt
Ich habe vor längerer Zeit das Gelübde abgelegt, täglich die Messe zu besuchen, täglich zur Anbetung und häufig zur Beichte zu gehen. Stille Anbetung war in Berlin durchgehend möglich, Beichte ebenfalls (nicht im Beichtstuhl, sondern mit gebührendem Sicherheitsabstand), Messe nicht. Sie fehlte mir sehr. Allerdings wurden die Sonntagsmessen meiner Gemeinde weiterhin gefeiert, nicht öffentlich, dafür gestreamt. Als Lektorin durfte ich meist dabeisein. So wird es auch sein, wenn die Beschränkungen wieder verschärft werden. Ich fühle mich amputiert und verbannt an jedem Tag, an dem ich nicht zur Messe gehen darf. Das Mitbeten einer der zahlreichen gestreamten Messen ist weit besser als nichts, aber nicht dasselbe.
In Quarantäne
In der Fastenzeit nahm ich wegen starken Hustens die freiwillige häusliche Quarantäne auf mich. Zuerst war mir das peinlich, aber meine Chefin und mehrere Ärzte bestätigten, dass es richtig war. Da keine anderen Symptome dazukamen, wurde ich nicht getestet, weiß also nicht, ob es eine schwere Erkältung oder ein leichter Verlauf von Covid19 war. Ich war umgeben von einem menschlichen Sicherheitsnetz, bekam von vielen Seiten Hilfsangebote und konnte meine wenigen Anliegen – Einkaufen, Post und Müll wegbringen – auf verschiedene Schultern verteilen.
Rosenkranz gegen den Budenkoller
Um die Zeit ohne Koller durchzustehen, machte ich mir einen Plan, nach dem ich Stundengebet und Rosenkränze betete. Ich verstand den „Hausarrest“ als verschärfte Fastenzeit – und als eine Art Eremitenurlaub, in dem ich Stundengebet und Rosenkränze besonders pflegte. Das tat mir so gut, dass ich die Gebetszeiten seitdem teilweise, soweit mit der Arbeit vereinbar, beibehalte. Nach der feierlich-üppigen Osterwoche faste ich wieder und sehe den Zusammenhang zwischen Fasten und Beten deutlicher denn je.
DT/cs
Die Berliner Schriftstellerin Claudia Sperlich über Vorsicht und Verzicht in Corona-Zeiten. Lesen Sie die ganzen Text in der kommenden Ausgabe der Tagespost. Holen Sie sich das ePaper dieser Ausgabe