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Lernleistungen in Deutsch und Mathematik deutlich gesunken

IQB-Bildungstrend 2021: Corona-Pandemie wirft Schülerinnen und Schüler des Primarbereichs erheblich im Lernerfolg zurück.
Grundschule
Foto: Sebastian Kahnert (dpa-Zentralbild) | Eine Studie zu Lernleistungen stellte einen dramatischen Rückgang fest.

Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hat kürzlich erste Ergebnisse des „IQB-Bildungstrends 2021“ vorgestellt, der im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) den Bildungsstand von Schülern am Ende der vierten Klasse in Bezug auf die bundesweit geltenden Standards der KMK untersucht. Demnach sind die Leistungen in Deutsch und Mathematik deutlich gesunken.

Die Autoren der Studie ziehen daraus den Schluss, dass eine gezielte Förderung „noch systematischer auf die Sicherung von Mindeststandards“ gerichtet werden müsse, „damit alle Kinder und Jugendlichen Kompetenzen erwerben, die für ihre weitere Bildungslaufbahn grundlegend sind.“

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Neue Studie 

Die Studie erläutert, dass die teilnehmenden Kinder zu Beginn der Pandemie und der ersten Schulschließungen im Jahr 2020 die dritte Jahrgangsstufe besuchten, und zum Zeitpunkt der Datenerhebung zwischen April und August 2021 erst seit wenigen Wochen wieder regelmäßig in ihre Schule gehen konnten. Es lasse sich zwar nicht eindeutig feststellen, aber zumindest teilweise dürften die Ergebnisse der Kompetenztests des IQB-Bildungstrends auch Effekte der pandemiebedingten Einschränkungen des Schulbetriebs in Deutschland widerspiegeln. Zum einen sei in allen Kompetenzbereichen eine deutlich ungünstige Entwicklung zu verzeichnen und soziale und zuwanderungsbezogene Disparitäten hätten sich verschärft. Zum anderen gebe es Übereinstimmungen mit frühen Befunden internationaler Studien.

Im Fach Deutsch wurden die Bereiche Lesekompetenz, Zuhören und Orthografie untersucht. Gemessen am Lernzuwachs, der innerhalb eines Schuljahres zu erwarten ist, entspricht der Kompetenzrückgang im Vergleich zu 2016 im Lesen etwa einem Drittel eines Schuljahres, im Zuhören einem halben Schuljahr und in der Orthografie sowie im Fach Mathematik einem Viertelschuljahr. Bezogen auf den längerfristigen Trend seit dem Jahr 2011 fallen die ungünstigen Veränderungen noch deutlicher aus, so die Studie. Im Fach Deutsch handelt es dann um ein halbes (Lesen) bis zwei Drittel eines Schuljahres (Zuhören), im Fach Mathematik um ein halbes Schuljahr. Außerdem ist die Streuung der Kompetenzwerte in allen Kompetenzbereichen im Jahr 2021 jeweils signifikant größer als in den Jahren 2011 und 2016.

Sinkender Bildungsstand

Zusätzlich erreichen im Vergleich zu den Erhebungen aus den Jahren 2011 und 2016 signifikant weniger Kinder die Bildungsstandards der KMK. Ein signifikant höherer Anteil verfehlt den Mindeststandard. Konkret erreichen oder übertreffen im Fach Deutsch in den Bereichen Lesen und Zuhören 58 Prozent bzw. 59 Prozent der Viertklässler den Regelstandard. Fast ein Fünftel der Schüler verfehlt jeweils den Mindeststandard. Im Kompetenzbereich Orthografie erreicht weniger als die Hälfte der Schüler den Regelstandard, während ihn fast ein Drittel verfehlt. Im Fach Mathematik erreichen oder übertreffen gut die Hälfte der Kinder den Regelstandard, mehr als ein Fünftel verfehlt ihn. 

Auch der lineare Zusammenhang zwischen den Kompetenzen, die die Schüler erreicht haben, mit dem sozioökonomischen Status ihrer Familien wurde untersucht. Laut der Studie gilt für alle Fächer und Kompetenzbereiche: je höher der sozioökonomische Status, desto höher die Leistungen. Die sogenannten sozialen Disparitäten haben sich zwischen 2016 und 2021 signifikant verschärft. Auch im längerfristigen Trend seit 2011 wird der enge Bezug zwischen Leistung und sozioökonomischem Status deutlich.

Mehr Zuwanderung

Rund 38 Prozent aller Viertklässler in Deutschland haben einen Zuwanderungshintergrund. Diese Schüler erreichten in allen Kompetenzbereichen signifikant geringere Kompetenzwerte als Schüler ohne Zuwanderungshintergrund. Bereits seit 2011 zeigt der Trend, dass sich die Kompetenzen der Schüler mit Zuwanderungshintergrund ungünstiger entwickelt haben als bei Schülern ohne Zuwanderungshintergrund. 2011 wiesen ein Viertel der Schüler einen Zuwanderungshintergrund auf, 2016 waren es knapp 37 Prozent.

Mit der Schule an sich und der sozialen Eingebundenheit in die Klasse sind die Teilnehmer der Studie unabhängig vom Zuwanderungshintergrund zufrieden. Die Werte für die allgemeine Schulzufriedenheit und die soziale Integration fallen insgesamt hoch aus.
Prof. Dr. Petra Stanat, wissenschaftliche Leiterin des IQB, führte die ungünstigen Veränderungen in den erreichten Kompetenzen auf die pandemiebedingten Einschränkungen zurück. Allerdings hätten auch schon in den früheren Kohorten zu viele Kinder nicht die Mindeststandards erreicht. Sie forderte: „Um diese Kinder muss sich das Bildungssystem systematischer kümmern.“ 

Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein unterstrich die Bedeutung von schulischem Lernen für die Bildungsgerechtigkeit.: „Die Schülerinnen und Schüler brauchen den Präsenzunterricht in der Schule und langfristig angelegte Maßnahmen, um die pandemiebedingten Lernrückstände aufzuholen.“

Aufholen nach Corona

Die Länder fordern daher vom Bund eine Verlängerung des Bundesprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ in Bezug auf Lernrückstände sowie psychosoziale Effekte im Schulbereich mit weiteren 500 Millionen Euro zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2023/2024.

Am IQB-Bildungstrend 2021 haben 26.844 Schülerinnen und Schüler der 4. Jahrgangsstufe in 1.464 Grund- und Förderschulen aus allen 16 Ländern teilgenommen. Der kürzlich vorgestellte Kurzbericht enthält erste Ergebnisse für Deutschland insgesamt. Vertiefende Analysen und Ergebnisse zu den einzelnen Ländern werden im Oktober 2022 im Berichtsband zum IQB-Bildungstrend 2021 publiziert. DT/chu

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Meldung Karin Prien

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