Vatikanstadt

Verbot von Privatmessen: Verständnislosigkeit und Verärgerung

Das Verbot der Feier von Privatmessen im Petersdom ist ein Akt von Amtsanmaßung und Rechtsverletzung, meint Kurienkardinal Walter Brandmüller in einem Gastbeitrag für die Tagespost.
Kardinal Walter Brandmüller zum Verbot von Privatmessen
Foto: Lena Klimkeit (dpa)

Eine auch in den Medien bekannt gewordene Anordnung des vatikanischen Staatssekretariats verfügt, dass ein einzelner Priester zur Feier der heiligen Messe im Petersdom nicht mehr zugelassen, sondern zur Teilnahme an einer Konzelebration anzuhalten sei. Darüber herrscht im Vatikan allgemeine Verwunderung, Verständnislosigkeit und Verärgerung.

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Fragen zu Form und Inhalt des Schreibens

Indes wirft das genannte Schreiben hinsichtlich seiner Form wie seines Inhalts manche Fragen auf. Dass das Schreiben weder Protokollnummer noch Unterschrift aufweist, sondern nur den Stempel des Staatssekretariats samt der Paraphe des Substituten trägt, erweckt Aufmerksamkeit, ja Zweifel. Insbesondere deswegen, weil das Staatssekretariat für die Basilika von Sankt Peter keine rechtliche Zuständigkeit besitzt. Diese kommt vielmehr dem Kapitel von Sankt Peter unter dem Vorsitz des Kardinal-Erzpriesters zu.

Es ist also mehr als befremdlich, dass die Kanoniker des Kapitels nicht als Absender, sondern als Adressaten eines Schreibens genannt werden, dessen Gegenstand in der Zuständigkeit des Kapitels liegt, wobei der Name des Erzpriesters, Kardinal Gambetti, nicht einmal genannt wird. Mit nüchternen Worten: Es handelt sich hier um einen Fall von Amtsanmaßung beziehungsweise Rechtsverletzung durch wen auch immer. Anordnungen bezüglich des Gottesdienstes in Sankt Peter werden hingegen vom Kapitel beraten und beschlossen.

Dass dies im vorliegenden Fall offenkundig nicht geschehen ist, bedeutet die Nichtigkeit des genannten Schreibens. Es missachtet außerdem den Canon 902 des Codex Iuris Canonici, der bestimmt: „… den einzelnen (das heißt Priestern) bleibt die Freiheit unbenommen, die Eucharistie einzeln zu feiern“, wenn in derselben Kirche nicht zur gleichen Zeit eine Konzelebration stattfindet.

Keine Verbindlichkeit

Das Schreiben aus dem Staatssekretariat entbehrt demnach aus formalen wie auch inhaltlichen Gründen der Verbindlichkeit. Zu den einzelnen hier zu stellenden juristischen Fragen hat Kardinal Burke bereits Stellung genommen.

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Nun aber erhebt sich die Frage, ob all dies nicht auch dem Substituten bewusst sein musste, als er seine Paraphe darunter setzte. Warum, wozu also ist dieses Schreiben dennoch ausgefertigt worden? Es ist bereits die Vermutung geäußert worden, es handle sich hierbei um einen „ballon d’essay“, mit dem die auf beabsichtigte Neuerungen zu erwartenden Reaktionen erkundet werden sollten.

Sollte dies zutreffen, wäre allerdings die sehr ernste Frage zu stellen, ob dies die Art und Weise sein könne, wie in der Kirche Jesu Christi die Gewalt der Schlüssel ausgeübt werden sollte.

An dieser Stelle wäre auch mit Nachdruck daran zu erinnern, dass die „plenitudo potestatis“ – also die geistliche Gewaltenfülle –, die dem Römischen Primat eigen ist, sowohl im Naturrecht wie im christlichen Sittengesetz ihre Grenzen findet. Sie ist „plenaria“, insofern sie von keiner höheren – irdischen – Gewalt abhängt, aber keineswegs grenzenlos. Sollte also in unserem Fall eine Anordnung beabsichtigt sein, die das positive wie das natürliche Recht verletzt, müsste mit Nachdruck auf die Folgen einer Missachtung von Recht und Gesetz hingewiesen werden.

Es geht auch um Anliegen der Seelsorge

Darüber hinaus geht es in diesem Fall auch um berechtigte Anliegen der Seelsorge wie der Frömmigkeit, denen Rechnung zu tragen ist. Die Basilika über dem Grab des Apostelfürsten Petrus und den Gräbern vieler Heiliger ist auf dem Erdkreis einzigartig, Zentrum der Weltkirche und von frühesten Zeiten an Wallfahrtsziel der Gläubigen aus aller Welt.

Den vielen Pilgern, namentlich den Priestern, die in großer Zahl aus entfernten Gegenden der Welt nach Rom kommen, die Möglichkeit zur Feier der heiligen Messe gleichsam im Haus des Vaters vorzuenthalten, wäre schlechterdings nicht zu verantworten.

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