Das Internationale katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ warnt vor den Folgen des Machtvakuums im Norden Syriens für die Christen im Lande. Nach dem „Abzug der Amerikaner und dem Vorpreschen der Türkei“ verschlechtere sich die Lage der Christen in Nordsyrien, betont Lucia Wicki-Rensch, die Informationsbeauftragte von „Kirche in Not (ACN)“ Schweiz/Liechtenstein. „Viele Christen fliehen nun. Die Verbliebenen müssen schauen, welche Kräfte das Machtvakuum füllen werden. Alle hoffen, dass es nicht erneut einen IS-Staat geben wird“, sagt sie einem von „Kirche in Not“ Schweiz/Liechtenstein verbreiteten Interview.
Humanitäre Not nach wie vor groß
Als christliche Minderheit in einem mehrheitlich muslimischen Land hätten die Christen stark unter dem Krieg gelitten, so Wicki-Rensch. „In diesem Krieg wurden sie an manchen Orten verfolgt und getötet wie in Maalula und besonders im Norden des Landes bei Rakka, Kamishli, Aleppo und Homs, wo der IS herrschte und andere extremistische Gruppen die Gebiete kontrollierten.“ Heute leide fast jede christliche Familie unter dem Verlust eines Familienmitglieds. Sei es wegen Tötung, Entführung, Verfolgung oder Flucht.
Die humanitäre Not der Bevölkerung sei nach wie vor groß, schildert Lucia Wicki-Rensch ihre Eindrücke nach der Rückkehr von einer Syrienreise. Die wirtschaftlichen Sanktionen seien „markant spürbar.“ „Die Christen, die im Gebiet leben, das von der Regierung von Baschar Al-Assad kontrolliert wird, können ihre Religion frei ausüben. In der Region Idlib, wo die Regierung keinen Einfluss habe, sehen sich alle Nicht-Muslime großer Gefahr ausgesetzt.“ Christen hätten auch im von den Kurden kontrollierten Gebiet Nordsyriens sicher gelebt. Nach dem Abzug der Amerikaner verschlechtere sich nun ihre Situation.
Seit 2011 mehr als 500.000 Christen geflohen
„Die Christen in Syrien befinden sich in einer sehr schwierigen Lage“, betont Wicki-Rensch. Seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2011 seien mehr als 500.000 Christen geflohen. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) haben seitdem 5,6 Millionen Menschen Syrien verlassen, sechs Millionen befinden sich innerhalb des Landes auf der Flucht.
Seit Kriegsbeginn hat „Kirche in Not“ nach eigenen Angaben über 850 Projekte in Syrien unterstützt. Eines dieser Projekte nennt sich „Ein Tropfen Milch“. Mit dieser Aktion soll in Zeiten des Mangels die monatliche Milchversorgung christlicher Kinder in Aleppo sichergestellt werden. Das ökumenische Projekt, das seit 2015 läuft, helfe allen Christen, ungeachtet des Ritus oder der Konfessionszugehörigkeit, sagt Lucia Wicki-Rensch. Derzeit sei die Finanzierung dieses Projektes gefährdet.
DT/mre
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