Der evangelisch-lutherische Landesbischof Ralf Meister schwächt mit seinem Plädoyer für das Recht auf Selbsttötung den schwerkranken Patienten Ökumene. In der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ hatte der Hannoveraner Landesbischof behauptet, der Mensch habe – nicht juristisch, sondern als theologische Möglichkeit verstanden – ein Recht auf Selbstttötung. Er begründet seine Sichtweise just mit dem Recht des Menschen, sein Leben zu gestalten: "Wenn mir Gott das Leben schenkt, hat er mir an dem Tag, ab dem ich Erdenbürger bin, auch die Berechtigung zur Gestaltung dieses Lebens gegeben."
Meisters These kommt nicht überraschend
So zynisch Meisters These ist: überraschend kommt sie nicht. Vielmehr fügt sie sich mit fataler Konsequenz ein in die Argumentation, die von evangelischer Seite immer wieder zu hören ist, wenn es um die vorgeburtliche Tötung von Menschen geht. Auch hier wird ein Scheingrund - die Gestaltungsfreiheit des Individuums, in dem Fall der werdenden Mutter, ins Feld geführt. Der Gedanke, dass menschlicher Freiheit auch biblisch und naturrechtlich begründete Grenzen gesetzt sind, geht in diesem Gedankengebäude unter. Die jahrzehntelange Abtreibungspraxis hat hier durchaus zu einer Verrohung der Gewissen geführt.
Katholische Kirche sollte Frühwarnsystem aktivieren
Auch wenn der Bischof einer einzelnen Landeskirche nicht für die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland spricht, sollte die katholische Kirche ihr Frühwarnsystem aktivieren. Katholiken sind keineswegs immun gegen dieses gefährliche Gedankengut, wie der Fall eines belgischen Krankenpflegeordens gezeigt hat. Der Gedanke, dass es dem Schöpfer als Herrn über Leben und Tod allein zukommt, das Ende der irdischen Daseins seiner Geschöpfe zu bestimmen, verblasst auch in der una sancta. Dabei ist die klare Positionierung für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens schon als professioneller Rückhalt für Ärzte und Pfleger heute notwendiger denn je.
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