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Kommentar um "5 vor 12": Das Geklüngel muss ein Ende haben

Im Fall Becciu hilft nur Transparenz. Ein öffentlich geführter Prozess ist unbedingt notwendig.
Kardinal Angelo Becciu
Foto: Lorenzo Carnero via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Kardinal Angelo Becciu ist jüngst zurückgetreten und hat auch alle seine Rechte als Kardinal verzichtet. Im Bild: Der Kardinal während einer feierlichen Liturgie.

Es muss eine dramatische Audienz gewesen sein, die Kardinal Giovanni Angelo Becciu gestern zu Papst Franziskus führte, um einige Dekrete seiner Kongregation für die Selig- und Heiligsprechung vorzulegen. Am Abend dann die knappe Mitteilung des vatikanischen Pressesaals: Becciu verliert sein Amt und alle Rechte eines Kardinals. Dazu gehört auch der Diplomatenstatus. Nicht nur die Staatsanwaltschaft des Vatikans kann ihn jetzt anklagen und verhören – auch die Justiz Italiens. Noch gilt die Unschuldsvermutung. Aber wenn einem der engsten Berater des Papstes so etwas passiert, dann kann es nicht nur um Petitessen gehen.

Es geht auch um Korruption

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Dass der Fall der Londoner Luxus-Immobilie, in die man in der Amtszeit von Becciu als Substitut im Staatssekretariat Gelder investierte, nicht nur ein gigantisches Missgeschick war, dass sich letztlich dem durch den Brexit verursachten Wertverlust des Anlageobjekts verdankte, weiß man seit einem Jahr, als die Vatikanjustiz fünf Mitarbeiter, darunter den ehemaligen Sekretär Beccius und den Direktor der Finanzaufsichtsbehörde AIF, vom Dienst suspendiert und wegen Korruption anklagte. Der Prozess ist noch immer nicht eröffnet. Dass nun aber ein Kardinal über den Fall stürzt – ein Vorgang, den es im Vatikan so noch nie gegeben hat –, macht einen handfesten Skandal daraus.

Ross und Reiter nennen

Schon spekulieren die italienischen Medien, dass Becciu als Substitut Vetternwirtschaft betrieben und mit Geldern aus dem Peterspfennig eine Spekulations- und Anlagegesellschaft seines Bruders gefüttert hat. Der Vatikan sollte den Prozess gegen den gebürtigen Sarden schnell eröffnen und Anklage erheben. Zu viele Gerüchte geistern durch das Internet. Auch das, dass sich Becciu den unbequemen Finanzaufpasser Georg Kardinal Pell vom Hals schaffen wollte, indem er ihn über Mittelsmänner von einem australischen Gericht wegen sexuellen Missbrauchs anklagen ließ. Man kann nur immer wieder dasselbe sagen: Der Vatikan kann nur dann den Geruch des Geklüngels und unsauberer Machenschaften ablegen und die seit sieben Jahren geforderte Reinigung der Kurie einleiten, wenn er Klarheit schafft und Ross und Reiter nennt. Also den Prozess eröffnet und die Anklageschrift gegen Becciu und die fünf suspendierten Mitarbeiter öffentlich macht.

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