Vieles deutet darauf hin, dass der Weltjugendtag als Glaubensfest der Superlative seinen Zenit überschritten hat. Die Inflation und die Preisexplosion machen sich inzwischen empfindlich spürbar. Für weniger betuchte Katholiken sind Flugtickets inzwischen fast unerschwinglich geworden. Hinzu kommt, dass die Zahl der praktizierenden Katholiken in den westlichen Ländern einbricht.
Besonders deutlich ist der spirituelle Rückzug in Deutschland spürbar: Während 16.000 deutsche Jugendliche 2016 zum Weltjugendtag nach Krakau reisten, haben sich die Anmeldungen inzwischen halbiert. Dass die öffentliche Dauerkritik an der Institution Kirche und der Missbrauchsskandal wie Mehltau auf dem Gemüt vieler Katholiken liegen, dämpft durchaus die unbefangene Freude an einem kirchlichen Großereignis.
Gegen öffentliche Kirchenkritik in der Heimat imprägniert
Man muss der These des BDKJ-Vorsitzenden Stefan Ottersbach, der die Folgen der pandemiebedingten Pause ursächlich für das geringe Interesse ausmacht, nicht unbedingt zustimmen: Deutschlands Flughäfen quellen derzeit über vor Reiselustigen, die nachholen wollen, was ihnen in den letzten Jahren an Auslandserlebnissen entgangen ist. Angesichts der höheren Reisekosten stellt sich in einer finanziell so gut ausgestatteten Ortskirche wie Deutschland eher die Frage, warum sich der BDKJ nicht mit mehr Nachdruck für Subventionen stark gemacht oder eine medienwirksame Spendenkampagne für den Weltjugendtag ins Leben gerufen hat.
Der Weltjugendtag wäre ein gute Gelegenheit gewesen, das Image einer im deutschen Saft schmorenden Ortskirche zu korrigieren und etwa Reise-Patenschaften für weniger betuchte Jugendliche aus Asien und Afrika zu finanzieren. Der Tunnelblick nicht weniger Funktionäre scheint derzeit eine freie Sicht auf die Inspirationskraft von Weltjugendtagen zu verhindern.
Schon jetzt zeichnet sich eine historische Bilanz der Weltjugendtage ab, die den Theorien des Synodalen Wegs über Kirchenreform widerspricht: Die Weltjugendtage haben viele Teilnehmer gegen die ätzende Säure öffentlicher Kirchenkritik in ihrer Heimat imprägniert. Viele, die in den Jahren 1985-2016 zu den Begegnungen mit den Päpsten pilgerten, haben von Botschaften profitiert, die quer zum innerkirchlichen Mainstream lagen und eine bodenständige Frömmigkeit in ihren Gemeinden gestärkt. Eucharistie, Anbetung und Rosenkranz bleiben die Klassiker. Solange die Kirche den Mut hat, gegen den Zeitgeist zu erziehen, gewinnt sie selbst.
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