Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Corona-Impfstoffe: Die vatikanische Position überrascht nicht

Was von der Note „über die Moralität des Gebrauchs einiger Anti-COVID-19-Impfstoffe“ der vatikanischen Glaubenskongregation zu halten ist.
Covid-19-Impfstoff
Foto: Imago Images | Wenn keine ethisch akzeptablen Alternativen erhältlich sind, ist niemand moralisch verpflichtet, auf die Nutzung eines unethisch hergestellten Produktes zu verzichten.

Die von der römischen Glaubenskongregation gestern veröffentlichte Note „über die Moralität des Gebrauchs einiger Anti-COVID-19-Impfstoffe“ enthält keine Überraschung. Der Grund: Das einige der Impfstoffkandidaten, die Menschen vor einem schweren Verlauf einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus schützen sollen, mit Hilfe von Zellen hergestellt werden, die aus dem Gewebe abgetriebener Kinder gewonnen wurden, ist auch kein neues Problem, sondern eines, dass die Herstellung von Impfstoffen seit Jahrzehnten begleitet und in der „Tagespost“ bereits mehrfach behandelt wurde.

Herstellung immer „sittlich verwerflich“ und „moralisch unannehmbar“

Lesen Sie auch:

Ausführlich dargelegt und begründet findet sich die diesbezügliche Lehre der Kirche in der Instruktion „Dignitas personae – über einige Fragen der Bioethik“ der Kongregation für die Glaubenslehre vom 8. September 2008. Unter der Überschrift „Die Verwendung von menschlichem ,biologischen Material‘ unerlaubten Ursprungs“ wird das Problem dort auf vier Seiten eingehend behandelt (vgl. Ziffer 34f). 

Zusammengefasst lässt sie sich wie folgt beschreiben. Die Gewinnung und Verwendung solcher Zellen stellt eine „cooperatio ad malum“ – eine Mitwirkung am Bösen dar, ist sittlich verwerflich und daher moralisch unannehmbar. Betroffen sind davon die Hersteller, also Wissenschaftler und Pharmaunternehmer, sowie Gesetzgeber und Zulassungsbehörden, die ein derartiges Vorgehen ermöglichen. Der Gebrauch von Medizinprodukten, die auf diese Weise hergestellt wurden, ist ebenfalls abzulehnen. Nämlich immer dann, wenn es ethisch akzeptable Alternativen gibt. Sind solche nicht erhältlich, dann – und nur dann – ist jedoch niemand moralisch verpflichtet, auf die Nutzung eines unethisch hergestellten Produktes zu verzichten, und sich oder seine Schutzbefohlenen dem Risiko einer schweren Erkrankung auszusetzen.

Trennscharfe Unterscheidungen

Die von der Kirche dabei vorgenommenen Unterscheidungen hinsichtlich des Grads der Mitwirkung und der damit einhergehenden unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, überzeugen nicht jeden. Das ist schade, dürfte jedoch zumindest in vielen Fällen auch damit zusammenhängen, dass sich „Dignitas personae“ selbst in Kreisen von Lebensrechtlern keiner allzu hohen Bekanntheit erfreut. Auch das ist schade. Zeigt sich hier doch erneut, dass die Kirche keine Fabrik zur Konfektionierung von Verboten ist, die ihren Gläubigen rücksichtslos Lasten aufbürdete, sondern trennscharf – wie kaum jemand sonst – zwischen guten und schlechten Handlungen zu unterscheiden weiß und die dabei die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten jeweils angemessen zu berücksichtigen versteht.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stefan Rehder Kongregation für die Glaubenslehre Sittlichkeit

Weitere Artikel

Was von den Daten der beiden Impfstoffkandidaten BNT162b2 von Biontech/Pfizer und mRNA-1273 von Moderna zu halten ist – Eine Analyse.
19.11.2020, 21 Uhr
Stefan Rehder
In der COVID-19- Pandemie hat „Wissenschaftliche Politikberatung“ Konjunktur. Dagegen ist nichts zu sagen. Im Gegenteil. Ihre derzeitige Gestalt wirft allerdings auch Fragen auf.
06.03.2021, 13 Uhr
Stefan Rehder
Die Haltung, Gott und dem Nächsten das zu geben, was ihm gebührt, ist eine sittliche Tugend. Auch die göttliche Barmherzigkeit setzt diese Tugend nicht außer Kraft.
31.01.2023, 07 Uhr
Ralph Weimann

Kirche

In der 64. Folge des Katechismuspodcast geht es mit dem Theologen Andreas Wollbold um die Beziehung der Geschöpfe untereinander.
10.06.2023, 14 Uhr
Meldung
In der 63. Folge des Katechismuspodcasts spricht Theologe Andreas Wollbold über das richtige Verhältnis von Mensch und Schöpfung.
09.06.2023, 14 Uhr
Meldung
In der Schöpfungsgeschichte spiegele sich die Kunstfertigkeit Gottes wider, so Theologe Andreas Wollbold in der 62. Folge des Katechismuspodcasts.
08.06.2023, 14 Uhr
Meldung
Jacques Barthieu starb auf Madagaskar den Martyrertod bei einem Angriff von Rebellen.
08.06.2023, 07 Uhr
Claudia Kock
Wenn der Umgang mit Erzbischof Gänswein zum Stil vatikanischer Personalpolitik wird, sollten Kleriker in Zukunft Rom als Arbeitsplatz meiden.
09.06.2023, 11 Uhr
Guido Horst