Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Weltjugendtags-Tagebuch

Begeisterung, die ansteckt

Am zweiten Tag in Loulé lerne ich Nachhaltigkeit auf katholisch. Erst eine Begegnung mit einer Gruppe aus Kuwait bringt den Tag in Schwung. Ein Weltjugendtags-Tagebuch.
Gasse mit weiß-getünchten Häusern in Loulé
Foto: imago stock&people | Gasse mit weiß-getünchten Häusern in Loulé. In einem Park im Zentrum wurden die Weltjugendtagsgruppen offiziell vom Bürgermeister willkommen geheißen.

Heute ist es eine Herausforderung, eine gute Lichtquelle fürs Schreiben zu finden. Denn heute feiern wir bis nach Mitternacht. Langsam tröpfeln die Spättänzer wieder in das Schulgebäude ein, wo wir untergebracht sind, sammeln sich um die provisorischen Duschkabinen, und die Italiener singen immer noch. Richtig Stimmung gemacht haben sie heute Abend auf der Bühne, wo jedes Land, das eine Pilgergruppe nach Loulé entsendet hat, eine Präsentation vorstellen sollte.

Die Deutschen haben eine Power-Point-Präsentation

Präsentation – das Wort lässt viele Interpretationen zu. Die Franzosen stürmten auf die Bühne und stellten ihre Theatergruppe vor, die ein Stück über die heilige Marguerite Maria Alacocque übt. Die Slowenen haben dem Publikum Polka und andere Tänze beigebracht. Deutschland hatte eine Power-Point-Präsentation vorbereitet, die die Gruppe dann aber in ein interaktives Quiz umfunktionierte – natürlich unterlegt von der bayerischen Landeshymne. 

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Die Gruppe aus Kuwait, einem Emirat am persischen Golf, führte eine Choreografie aus traditionellen und modernen Tänzen auf. Mit dieser Gruppe haben wir heute auch die heilige Messe gefeiert – halb auf Englisch, halb auf Deutsch. Die Feierlichkeit und Begeisterung der Kuwaiter ist ansteckend, auch wenn die improvisierte Kirche eher wie ein kleiner Vorlesungssaal aussieht. Sie befindet sich im ersten Stock des Konvents zum heiligen Geist – wohl ein ehemaliges Kloster. Heute hängen große Schwarz-Weiß-Poster von Jazzmusikern an den Wänden in den Kreuzgängen, und im Garten stehen Restauranttische.

Die Begegnung mit den Kuwaitern lockert auf. Denn bis dahin verlief der Tag eher träge. Nach dem wieder in Plastik verpackten Frühstück marschierten wir zum Park im Zentrum von Loulé, wo eine stattliche Bühne auf uns wartete. Dort wurden wir offiziell vom Bürgermeister willkommen geheißen. Auf Slowenisch, Polnisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Arabisch dankte er uns, dass wir Jesus unser Ja gegeben haben. Ein portugiesischer Chor singt „Hallelujah“ von Jeff Buckley, singt „Mary, did you know“ und die Weltjugendtagshymne. Und das funktioniert.

Wir Deutsche passen ganz gut hierhin

Aber dann ist es eben schon wieder Zeit für die Siesta, also Freizeit. Wir hätten mit den Franzosen noch trinken gehen können, sagt eine Teilnehmerin reumütig, als wir uns wieder am Treffpunkt treffen, um uns dann wieder zu trennen. Das Trinken verschiebt sich auf den Abend. Stattdessen gehen ein paar shoppen, andere ins Freibad. Mich verschlägt es in die Stadtbibliothek. Dort steht ein Stand mit Büchern unter dem Titel „sustentabilidade“, „Nachhaltigkeit“. Das Thema Klima beschäftigt wohl auch die Portugiesen. Kleine Schilder an unseren Duschen fordern uns zum Wassersparen auf, und die Brötchen im Lunchpaket, die wir nicht essen, sollen wir zurückgeben, damit sie nicht im Müll landen. Auf Instagram postet die Tagesschau, dass es im Süden brennt, auf Rhodos und in Spanien. Vielleicht passen wir Deutsche ganz gut hierhin, die wir brav Müll trennen, Strom sparen, Plastik meiden.

Büchern zum Thema Nachhaltigkeit
Foto: Durney | Unsere Autorin verschlägt es in die Stadtbibliothek. Dort steht ein Stand mit Büchern unter dem Titel „sustentabilidade“, „Nachhaltigkeit“. Das Thema Klima beschäftigt wohl auch die Portugiesen.

Draußen in Loulé ist der Himmel leuchtend blau gegen die pastellfarbenen Flachdächer, wo die Bewohner ihre Wäscheleinen aufziehen. In einem Café bestelle ich Kaffee mit Milch und bekomme Cappuccino. Dazu Pasteis de Nata, Blätterteigtörtchen mit einer Art Vanillepudding, mit einem charakteristischen Wirbel am Boden. Die Pasteis haben katholische Mönche in Lissabon erfunden, im Kloster von Hieronymus. Die Mönche verwendeten nämlich im 18. Jahrhundert jede Menge Eiweiß, um ihre Gewänder zu stärken – und irgendwo musste das Eigelb wohl hin. Auch eine Art katholische Nachhaltigkeit.


Begleiten Sie unsere Autorin Sally-Jo Durney in den nächsten Tagen bei den Tagen der Begegnung und dem Weltjugendtag in Lissabon. Alle Tagebuch-Einträge finden Sie hier.

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