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„Die Zeit ist reif, mehr zu wagen“

Der Missionskongress in Brüssel ist seinem Anspruch, ein Zeichen der Hoffnung zu setzen, gerecht geworden. 
Brüssel Congres Mission
Foto: Reiter | Brüsseler Missionskongress: Gläubige verschiedener Couleur und Sprachen begegeneten sich bei einer originellen Mischung aus Festival, Gebet, Messe, Kreativworkshops und Diskussion.

Zum „Missionskongress“ sind kurz vor Ostern zweitausend Teilnehmer nach Brüssel gekommen. Dreh- und Angelpunkt des Treffens, das nach französischem Vorbild bereits zum zweiten Mal in der belgischen Hauptstadt stattfand – über die Premiere 2022 hatte diese Zeitung ausführlich berichtet –, war der Welt fünftgrößte Kirche: die im Volksmund „Koekelbergbasilika“ genannte „Nationalbasilika des Heiligen Herzens“.

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Der Koekelberg ist der Hügel, auf dem diese eigenwillige, noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Art-Déco-Stil errichtete Kirche steht. Gleichzeitig ist es auch die zweitkleinste der 19 Gemeinden, in die sich die belgische und europäische Hauptstadt Brüssel gliedert. Die Gegend ist in der Regel geprägt von allgegenwärtiger Migration und nicht enden wollenden Verkehrsstaus. In der riesigen Basilika finden sich unter der Woche oft nur wenige Besucher.

Festival mit viel Raum für Gebet und Liturgie

Doch an jenem Wochenende war vieles anders rund um den gigantischen Sakralbau. Aus dem ganzen Land begegneten sich Gläubige bei einer originellen Mischung aus Festival, Gebet, Messe, Kreativworkshops und Diskussion. Auch wenn der „Missionskongress“ vor allem als Konferenzreihe geplant war, ließ er viel Raum für Gebet und Liturgie, die ihre ganz eigene Dynamik entfalteten.

Vor zwei Jahren war der französische Ursprung noch zu spüren. Wer um die belgische Dreisprachigkeit weiß – wobei Deutsch als dritte belgische Landessprache in Brüssel praktisch keine Rolle spielt –, dem ist diese vor allem als „Sprachenstreit“ zwischen Frankophonen und Flamen ein Begriff. Aus dem Streit ist inzwischen ein pragmatisches Nebeneinander geworden.

Eine Veranstaltung mit großer Strahlkraft

So war diesmal, anders als 2022, als vor allem Französisch gesprochen wurde und die anderssprachigen Belgier, die immerhin fast 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wegblieben, in diesem Jahr immerhin ein Drittel der Teilnehmer niederländischsprachig. Damit wurde der Missionskongress von einer lokalen Brüsseler Veranstaltung zu einer landesweiten mit ungeahnter Strahlkraft und starker Medienpräsenz.

Alle landesweiten Sender berichteten, die katholischen sowieso. Auch von sechs anwesenden Bischöfen, darunter der noch recht frische und relativ junge Erzbischof Luc Terlinden aus Brüssel-Mechelen, waren drei Flamen. Wer in Belgien die Sprachgrenzen überwindet, gewinnt automatisch an Relevanz.

Von Schönheit, Demut und Glaubenszweifeln

Allein am Samstagmorgen fanden sieben Podiumsdiskussionen statt, die eine Vielzahl an Interessenten anzogen. So veranstaltete das Portal „Kerknet“, offizielles Organ der flämischen katholischen Kirche, eine Diskussionsrunde zum Thema „Wie man in seinem täglichen Leben Zeugnis ablegt“ mit Weihbischof Koen Vanhoutte aus Brügge, der Fotografin Selina De Maeyer, dem Limburger Pfarrer Wim Simons sowie den Kerknet-Mitarbeiterinnen Stacey Osei und Sara Loobuyck.

Ein aufmerksames Publikum hörte Selina darüber sprechen, dass Schönheit von Gott kommt und Demut ein Schlüsselwort für sie sei, oder von Stacey, die über die vielen Gleichgesinnten in ihrem Umfeld sprach, die auf der Suche nach etwas waren, das sie in Gott gefunden haben. Bischof Vanhoutte wies darauf hin, dass jeder Christ dort einen Sendungsauftrag entfaltet, wo er lebt. Er forderte dabei Einheit in Vielfalt in den vielen unterschiedlichen Bewegungen innerhalb der Kirche. Und er lieferte auch einen originellen Schlüssel, nahm auch den eigenen Unglauben an und wagte es, im Gespräch offensichtliche Zweifel offen anzusprechen.

Glauben, der Sprachbarrieren überwindet

Eine weitere Podiumsdiskussion drehte sich um die allgegenwärtige Frage, wie der Glaube auch vor dem Hintergrund der Missbrauchskrise zu kommunizieren sei. Bischof Lode Aerts von Brügge predigte am Samstag während einer zweisprachigen Messe sehr berührend über die Dynamik des Zuhörens, Rufens, Teilens und Betens. Auch in der Zeltstadt mit den Ständen von Gemeinden und Organisationen trafen sich immer wieder Kongressteilnehmer zum Gebet.

 

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In einem Zelt war eucharistische Anbetung möglich. In einer Ecke des Schulhofs standen diskret mehrsprachige Priester zur Beichte zur Verfügung. Am Abend bildeten sich in der Basilika dann kleine Gebetskreise aus Menschen der beiden Sprachgruppen, die sich oft vorher gar nicht kannten.

Friedliche Mélange aus kirchlichen Bewegungen

Das Wochenende war eine bunte Mélange aus kirchlichen Bewegungen: von den Pfadfindern über verschiedene Orden und Gemeinschaften bis hin zu Opus Dei und dem „Marsch für das Leben“ war alles vertreten. Sehr bunt und sehr unterschiedlich ging es zu in der kleinen Zeltstadt, die schräg gegenüber der Basilika auf dem Campus des Schulzentrums zum Heiligen Herzen aufgebaut worden war.

Unterschiedliche Sprachen und sehr verschiedene Glaubensansätze waren keine Hindernisse für intensive Gespräche. Flamen, Wallonen, Brüsseler und sogar einige deutschsprachige Ostbelgier vereint im christlichen Glauben. Eine sich unversöhnlich gegenüberstehende Front aus Erneuerern und Traditionalisten, wie wir sie aus Deutschland kennen, gibt es hier nicht.

Ein Zeichen der Hoffnung

Doch was war nun durch den Missionskongress anders, so dass nicht das Trennende überwog? „Die Vielfalt in Sprache und Überzeugung“, sagte ein Mitglied des Organisationskomitees gegenüber dieser Zeitung. „Wir haben ziemlich viel Niederländisch gehört.“ Die Gebetskreise waren oft gemischtsprachig. Die Podiumsdiskussionen waren sehr abwechslungsreich. Sogar Erzbischof Terlinden konnte sich zugleich in beiden Sprachen unterhalten.

Mitglieder von Bewegungen wie Maria Kefas, Emmanuel oder Charis, aber auch „normale“ Gemeindemitglieder, die einfach mit ihrem Pfarrer vorbeischauten, gaben ein lebendiges Bild der katholischen Kirche inmitten von Brüssel ab.

Vor allem die fröhliche Atmosphäre beeindruckte alle Anwesenden. „Auffallend war, dass wir ein insgesamt jüngeres Publikum und viele Familien sahen“, so eine der Organisatorinnen. „Ich denke, die Zeit ist reif, in den Pfarreien und Gemeinden mehr zu wagen. Der Missionskongress ist daher ein Zeichen der Hoffnung. Wann werden wir wieder mit zweitausend Menschen, einem großen Chor und vielen Bischöfen und Priestern zusammenkommen, um die Eucharistie zu feiern?“

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