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Angst und Geld prägen Beziehungen in der Orthodoxie

Der griechisch-orthodoxe Theologe Georgios Vlantis sieht fragwürdige Abhängigkeiten orthodoxer Kirchen vom Moskauer Patriarchat.
Patriarch Kyrill scheint andere Orthodoxien regelrecht zu erpressen
Foto: Ivan Sekretarev (AP) | Das Moskauer Patriarchat scheint andere Orthodoxien regelrecht zu erpressen, meint der griechisch-orthodoxe Theologe Georgios Vlantis. Im Bild: der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill.

Der inner-orthodoxe Streit um die Ukraine und der aktuelle Krieg haben nach Ansicht des griechisch-orthodoxen Theologen Georgios Vlantis „sehr fragwürdige Abhängigkeitsnetzwerke in der Orthodoxie“ sichtbar gemacht. Vlantis, der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern (ACK) ist, führt die Zurückhaltung etlicher orthodoxer Kirchen bei der Anerkennung der Autokephalie der ukrainischen Orthodoxie nicht nur auf theologische Gründe zurück: „Sowohl Angst als auch die Versuchung des Geldes spielen eine wichtige Rolle.“

Erpresst Moskaus Patriarchat andere Orthodoxien?

Das Moskauer Patriarchat scheint andere Orthodoxien regelrecht zu erpressen: „Keine Kirche möchte, dass auf ihrem Territorium eine parallele russische Jurisdiktion entsteht, die ihr viele Gläubige abwerben würde, wie es gerade in Afrika der Fall ist“, erklärt Vlantis gegenüber dieser Zeitung. „Für mehrere Kirchen ist der russische Pilgertourismus eine wichtige Einkommensquelle. Als die Kirche Griechenlands entschieden hat, die Kirche der Ukraine zu anerkennen, hat die russische Kirche eine Liste von griechischen Diözesen veröffentlicht, die russische Pilger nicht besuchen dürfen.“

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Damit würden Bischöfe bestraft, die sich für die ukrainische Autokephalie engagieren. Vlantis weiter: „Die Haltung etlicher Bischöfe auf Zypern, in Jerusalem sowie in Antiochien oder Polen kann man ebenfalls nicht korrekt einordnen, wenn man diese Dimension übersieht. Angst und Geld: Gibt es nicht hier eine Dimension der Erpressung?“

Der griechisch-orthodoxe Theologe sieht Parallelen zwischen der Ideologie der Russki Mir und der großserbischen Ideologie. Es gebe in Serbien auch finanzielle Abhängigkeiten von Russland, etwa bei der Finanzierung der riesigen serbisch-orthodoxen Sava-Kathedrale in Belgrad, und auch gemeinsame Animositäten gegen die NATO. Georgien wiederum habe Angst, dass die russische Orthodoxie ihre Strukturen in den georgischen Separatistengebieten Abchasien und Südossetien ausweitet.

Rumänische Orthodoxie hat Schlüsselrolle inne

Eine Schlüsselrolle im Ringen der orthodoxen Kirchen kommt nach Ansicht von Georgios Vlantis der rumänischen Orthodoxie zu, die bisher schweigt: „Sie sind eine große Kirche. Wenn sie die ukrainische Autokephalie anerkennen, dann hat das Gewicht. Aus Moskauer Sicht wird man sich – schon aufgrund der Größe – gut überlegen müssen, ob man auch die Kontakte zur rumänischen Orthodoxie abbrechen will.“

Wenn es Russland wider Erwarten gelingen sollte, die Ukraine zu erobern, „dann würde die autokephale Kirche zur Katakombenkirche“, sagt Vlantis im „Tagespost“-Interview. Die Diskriminierung, ja Verfolgung dieser Kirche auf der besetzten Krim lasse nichts Gutes erwarten. Nach dem Krieg werde jedenfalls sehr viel Versöhnungsarbeit zwischen den Kirchen in der Ukraine notwendig sein.  DT/sba

Lesen Sie eine ausführliche Analyse zur Orthodoxie in der Ukraine und weltweit in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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