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Urteil im Vatikan-Finanzprozess am Samstag erwartet

Vatikan-Staatsanwalt fordert Haft- und Geldstrafen für Kardinal Becciu und neun weitere Angeklagte. Der Papst ist derweil über finanzielle Defizite im Vatikan besorgt.
Vatikan-Staatsanwalt fordert Haft- und Geldstrafen für Kardinal Becciu
Foto: IMAGO/Grzegorz Galazka (www.imago-images.de) | Der Vatikan-Staatsanwalt Alessandro Diddi fordert sieben Jahre und drei Monate Haft sowie eine Geldstrafe von rund 10.000 Euro für den prominentesten Angeklagten, Kardinal Angelo Becciu.

Am Samstag soll das Urteil im Prozess um verlustreiche Millionendeals im Vatikan fallen. Das verkündete der Richter Giuseppe Pignatone am Dienstag und eröffnete damit die Möglichkeit, dass erstmals in der Geschichte der Kirche ein Kardinal von einem Vatikan-Gericht wegen Finanzdelikten verurteilt wird. Mit der Urteilsbegründung wird erst in einigen Wochen gerechnet.

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Der Vatikan-Staatsanwalt Alessandro Diddi fordert sieben Jahre und drei Monate Haft sowie eine Geldstrafe von rund 10.000 Euro für den prominentesten Angeklagten, Kardinal Angelo Becciu. Auch den weiteren neun Angeklagten drohen Haft- und Geldstrafen. Becciu und seine Anwälte weisen alle Anschuldigungen zurück.

Mitschuld an Betrug und Nepotismus vorgeworfen

Der seit Juli 2021 laufende Prozess wirft Becciu die Hauptverantwortung für ein fragwürdiges Immobiliengeschäft des vatikanischen Staatssekretariats in London vor, bei dem die zentrale Kirchenleitungsbehörde ab 2014 einen dreistelligen Millionenbetrag in ein Luxusgeschäftsgebäude investiert hatte. Später musste es unter hohen Verlusten verkauft werden. Der 75-jährige Becciu hatte zum Zeitpunkt des Geschäftes als Substitut die zweitwichtigste Position im Staatssekretariat inne. Überdies soll er mit Vatikan-Zahlungen an Sozialorganisationen aus seiner Heimat Sardinien Verwandte begünstigt haben. 

Ebenso soll er eine Mitschuld daran tragen, dass eine angebliche geopolitische Expertin den Vatikan um mehrere Hunderttausend Euro betrogen haben soll. Hier soll die Bekannte des Kardinals Geldsummen, die ihr für die Befreiung einer entführten Ordensfrau in Mali anvertraut wurden, für Luxusgüter ausgegeben haben. 

Papst besorgt über finanzielles Defizit im Vatikan

Papst Franziskus hat derweil seine Sorge um die anhaltenden finanziellen Defizite im Vatikan ausgedrückt. In einem am Dienstag vom Wirtschaftssekretariat der Römischen Kurie veröffentlichten Brief an dessen Mitarbeiter schrieb Franziskus: „Ich weiß, dass der Heilige Stuhl jedes Jahr ein großes Defizit verzeichnet. Tatsächlich dient der gesamte Apparat der Mission, und die finanziellen Ressourcen sind begrenzt. Aber wir wissen: Ein Defizit bedeutet, dass ein Teil des Vermögens vernichtet wird, und das schränkt die Zukunft ein. Und deshalb müssen wir den Trend umkehren.“ 

Das Bewusstsein dafür müsse auf allen Ebenen wachsen, alle seien dafür verantwortlich, den Erhalt der nötigen Ressourcen zu garantieren, „damit auch diejenigen, die nach uns kommen, den Weg fortsetzen können“, mahnte er laut Angaben der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA). Um das zu erreichen, seien neue Kompetenzen, neue Köpfe und Menschen mit erneuertem Geist und erneuerter Professionalität erforderlich. Der Brief des Papstes trägt das Datum vom 24. November.

Niemals zum Komplizen werden

Insbesondere drückte er dem jüngst verstorbenen australischen Kardinal George Pell und dessen Nachfolger Pater Juan Antonio Guerrero für die „vielen Fortschritte, die gemacht worden sind“ seinen Dank aus. Zugleich solle das Erreichte nicht zu dem Gedanken verleiten, der „Weg der Wirtschaftsreform“ sei abgeschlossen: „Im Gegenteil, er hat gerade erst begonnen.“

Der Brief ruft die Mitarbeiter eindrücklich zu Loyalität in ihrem Dienst auf. Sie müssten „nein sagen, wenn das, was man euch darstellt oder was ihr in den Kontrollen findet, die Mission verrät, wenn das Einzelinteresse einiger über das kollektive überwiegt, wenn die Regeln verletzt oder kunstvoll umgangen werden, um Ziele zu verfolgen, die denen des Heiligen Stuhls und der Kirche fremd sind“. Das bedeute, „niemals zum Komplizen zu werden“ oder vorzugeben, nichts zu sehen.

Als ein Mittel zur Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz könnte künftig die Entlohnung der Mitarbeiter stärker an die konkreten Leistungen gekoppelt werden. Trotzdem müsste jeder einen gerechten Lohn erhalten, während Karrieredenken vermieden werden müsse, so der Papst. Doch auch eine Prämierung besonderer Verdienste könne ein Zeichen von Gerechtigkeit sein. DT/jmo

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