Wenn man bedenkt, dass das Opus Dei von seinem Ursprung her und in seiner späteren Ausfaltung eine Vereinigung von gewöhnlichen und zumeist verheirateten Katholiken war, die sich mitten in Welt und Arbeit heiligen, dann fällt es nicht ganz einfach zu verstehen, warum Papst Franziskus dieses 1928 vom heiligen Josemaría Escrivá de Balaguer gegründete Werk jetzt in einen frommen Klerikerverein verwandelt hat. Die „Geschlechtsumwandlung à la Franziskus“ geschah in zwei Akten: Im Rahmen der im Juni 2022 in Kraft getretenen Kurienreform legte der Papst in seinem Motu proprio „Ad charisma tuendum“ vom 14. Juli 2022 fest, dass das Werk nicht mehr dem Dikasterium für die Bischöfe, sondern dem für den Klerus unterstellt sei. Damit verlor der Prälat des Opus Dei den Status eines Bischöfe.
Der zweite Akt geschah am vergangenen 8. August mit einem weiteren Motu proprio „zur Änderung der Canones 295-296 über die Personalprälaturen“, in dem das Opus Dei nicht genannt, aber, da es die einzige Personalprälatur der Kirche ist, gemeint war: Franziskus verwandelte diese Prälaturen nun in „öffentliche kirchliche Vereinigungen päpstlichen Rechts mit der Befugnis, Kleriker zu inkardinieren“. Außerdem wurde der Prälat des Opus Dei zum „Moderator mit den Vollmachten eines Ordinarius“ degradiert.
Das „Werk Gottes“ ist nun eine Klerikervereinigung
Und die Laien, die im Opus Dei etwa 90.000 Mitglieder im Vergleich zu ungefähr 1.900 Priestern ausmachen? Da reichte dem jüngsten Motu proprio ein Verweis auf Canon 107 des Kirchenrechts: Für jeden Getauften seien der örtliche Pfarrer und Bischöfe zuständig. Ansonsten könnten Laien aufgrund von besonderen Vereinbarungen mit der Personalprälatur an deren apostolischen Werken mitarbeiten, die Form ihrer Mitwirkung und ihre Rechte und Pflichten würden die Statuten der Prälatur regeln. Dass Laien – wie bisher – die Werke des Opus Dei auch leiten, dazu sagt das Motu proprio nichts. Das „Werk Gottes“ ist nun eine Klerikervereinigung. So wie es seit 1950 als Säkularinstitut bestand und 1982 Personalprälatur mit später Bischöfe an der Spitze wurde, verstand es sich immer als Vereinigung von Laien mit einem kleinen Teil von Priestern, denen das „forum internum“ und die geistliche Leitung oblag. Kirchenrechtlich hat das Opus Dei, so wie man es bisher kannte, aufgehört zu bestehen.
Zur Laienfrage versicherte der bisherige Prälat und nun Moderator des Werks, Fernando Ocariz, zwei Tage nach dem Diktum des Papstes, dass der Teil des Motu proprio, „der sich auf die Laien bezieht – sie sind der Grund für die Existenz des Opus Dei: gewöhnliche Christen mitten in der Welt, die Gott in ihrer beruflichen Arbeit und in ihrem Alltag suchen“, die Tatsache verdeutliche, „dass sie, wie jeder andere Katholik, Gläubige ihrer Diözesen sind. Im Fall des Werkes gehören sie außerdem, aufgrund einer spezifischen Berufung, dieser übernatürlichen Familie an“. Und tatsächlich wird sich für die einzelnen Mitglieder des Opus Dei wohl kaum etwas ändern.
Hatten die Misstrauischen recht?
Aber die Frage bleibt, warum Franziskus und sein „oberster Rechtsberater“, Kardinal Gianfranco Ghirlanda SJ, die Klerikalisierung des Opus Dei betrieben haben? Haben vielleicht doch jene recht, die schon immer ein tief sitzendes Misstrauen der Jesuiten gegenüber dem „Werk Gottes“ diagnostizierten – nicht zuletzt deswegen, weil dort Laien die apostolischen Werke leiten? Jetzt müssen die Statuten des Opus Dei neu geschrieben werden. Warum der ganze Aufwand? Die Lesart der meisten Medien ist die, dass Franziskus dem Werk schaden und es demütigen wollte. Wer es besser weiß, möge sich bitte melden.
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