Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Papstbuch

Franziskus: „Benedikt war wie ein Vater für mich“

Der Papst äußerte sich in dem neuen Buch von Javier Martínez-Brocal: "Papst Franziskus. Der Nachfolger. Meine Erinnerungen an Benedikt XVI".
Papst Franziskus äußerte sich in dem neuen Buch von Javier Martínez-Brocal
Foto: IMAGO/ALESSIA GIULIANI / ipa-agency.ne (www.imago-images.de) | Die Tagespost dokumentiert wichtige Stellen aus dem neuen, derzeit nur in spanischer Sprache erhältlichen Interviewbuch mit Papst Franziskus.

Das Interviewbuch „El sucesor“ („Der Nachfolger“) von Javier Martínez-Brocal beleuchtet vor allem das Verhältnis zwischen Franziskus und Benedikt. Bereits in der Einführung zieht der Autor ein Resümee: „Als ich ihn um dieses Interview bat, waren seine ersten Worte bereits eine Zusammenfassung der fast zehnjährigen Koexistenz der beiden Päpste: ‚Benedikt war wie ein Vater für mich, wie sanft er mich auf diesem Weg begleitet hat!‘.“

Lesen Sie auch:

Ein roter Faden im Buch ist das Lob, das Franziskus seinem Vorgänger stets entgegenbringt. Daher war der Autor des Buches, wie Martínez-Brocal festhält, überrascht darüber, „dass das ‚Narrativ‘ eines angespannten Verhältnisses zwischen den beiden Päpsten erneut aufgegriffen wurde. Plötzlich beginnen Personen, die Benedikt nahestanden, wie sein persönlicher Sekretär Georg Gänswein, dieses Narrativ zu untermauern, indem sie die Differenzen und Missverständnisse, die sie zwischen den beiden Pontifex erlebt hätten, auf den Tisch brachten.“

Über das Konklave

Franziskus spricht in dem Interviewbuch ausführlich über die konkrete Art der „Begleitung“ seines Pontifikats durch den emeritierten Papst: „Er hat mich wachsen lassen, er hat mir Geduld gegeben. Und wenn er etwas nicht klarsah, hat er drei- oder viermal nachgedacht, bevor er es mir sagte. Er ließ mich erwachsen werden und gab mir die Freiheit, Entscheidungen zu treffen. Er mischte sich nie ein. Einmal, als es eine Entscheidung gab, die er nicht verstand, fragte er mich ganz selbstverständlich danach. Er sagte: ‚Ich verstehe das zwar nicht, aber die Entscheidung liegt in Ihren Händen‘. Ich erklärte ihm die Gründe, und er war damit zufrieden. Er hat mir nie seine Unterstützung entzogen. Vielleicht gab es etwas, was ich tat, mit dem er nicht einverstanden war, aber das hat er nie gesagt. Wenn ich ihn auf ein Problem ansprach, sagte er: ‚Nun, wir sollten das so oder so sehen‘. Er hat das Feld erweitert. Er hatte die Fähigkeit, den Blick zu weiten und mir zu helfen, eine gute Entscheidung zu treffen.“

Franziskus äußert sich auch ausführlich über das Konklave nach dem Tod Johannes Pauls II. Zunächst stellt er klar: „Kardinäle legen einen Eid ab, nicht zu verraten, was im Konklave geschieht, aber Päpste haben die Erlaubnis, darüber zu sprechen“. Der Heilige Vater erklärt weiter: „Ich hatte zufällig vierzig der einhundertfünfzehn Stimmen in der Sixtinischen Kapelle. Sie reichten aus, um die Kandidatur von Kardinal Joseph Ratzinger zu stoppen, denn wenn sie weiter für mich gestimmt hätten, hätte er die für die Wahl zum Papst erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erreichen können.“ Es sei ein regelrechtes Manöver gewesen, das „darin bestand, meinen Namen vorzuschlagen, die Wahl Ratzingers zu blockieren und dann über einen anderen dritten Kandidaten zu verhandeln. Später wurde mir gesagt, dass sie keinen ‚ausländischen‘ Papst wollten.“

Kardinal Ratzinger sei „sein Kandidat“ gewesen: „Er war der Einzige, der zu diesem Zeitpunkt Papst werden konnte. Nach der Ära Johannes Pauls II., einem dynamischen Pontifex, der sehr aktiv, initiativ und reiselustig war, brauchte man einen Papst, der ein gesundes Gleichgewicht halten konnte, einen Übergangspapst.“

Über Erzbischof Georg Gänswein

„Ich sage mit Bedauern, dass sein Sekretär es mir manchmal schwer gemacht hat“, so Franziskus über Erzbischof Gänswein. Abgesehen von der „Spitze“, Gänswein habe für den Umzug nach Deutschland „zwei Lastwagen mit seinen Sachen“ beladen, spricht der Papst zwei Momente an, die beide mit Buchveröffentlichungen zu tun haben.

Das eine bezieht sich – in den Worten des Interviewers – darauf, dass Kardinal Robert Sarah die Veröffentlichung eines gemeinsam mit Benedikt XVI. unterzeichneten Buches mit dem Titel ‚Aus der Tiefe unseres Herzens‘ angekündigt habe, was als Einmischung und Druckmittel auf Franziskus empfunden worden sei, weil Franziskus noch mit dem Apostolischen Schreiben „Querida Amazonia“ beschäftigt gewesen sei. Darauf sagt Franziskus: „Nun, wie Sie wissen, war ich nach der Veröffentlichung des Buches von Kardinal Robert Sarah, das angeblich mit dem emeritierten Papst unterzeichnet war, gezwungen, Benedikts Sekretär um eine ‚freiwillige Beurlaubung‘ oder einen ‚freiwilligen Urlaub‘ zu bitten, wobei er die Position des Präfekten des Päpstlichen Hauses und auch das Gehalt behalten konnte.“

Lesen Sie auch:

Auf die Frage, ob die Veröffentlichung von „Nichts als die Wahrheit. Mein Leben mit Benedikt XVI.“ von Georg Gänswein ihn erschüttert habe, sagte er: „Es erfüllt mich mit großer Trauer, dass am Tag der Beerdigung ein Buch veröffentlicht wird, das mich zerreißt und Dinge erzählt, die nicht wahr sind, das ist sehr traurig (…) Es hat mich verletzt, dass Benedikt benutzt wurde. Das Buch wurde am Tag der Beerdigung veröffentlicht, und das habe ich als einen Mangel an Edelmut und Menschlichkeit empfunden.“

Auch an anderen Stellen drückt Franziskus sein Unbehagen gegenüber dem ehemaligen Sekretär von Benedikt XVI. aus: „Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ich den Leiter einer Abteilung ablöste und die Entscheidung eine gewisse Kontroverse auslöste. Inmitten des ganzen Lärms ergriff der Sekretär die Initiative, diese Person zu Benedikt zu bringen, weil sie ihn begrüßen wollte. Da der emeritierte Papst sehr freundlich war, stimmte er zu. Das Problem ist, dass das Foto dieses Treffens in Umlauf gebracht wurde, als ob Benedikt auf meine Entscheidung antworten würde. Ehrlich gesagt, war das nicht richtig.“

Nicht der zweite Papst

Eine Korrektur einer Aussage von Erzbischof Gänswein nahm Franziskus im Rahmen einer „Flugzeug-Pressekonferenz“ bei der Rückkehr aus Armenien (26. Juni 2016) vor, als eine Journalistin aus Argentinien fragte: „Wir wissen, dass Sie der Papst sind und dass es auch Papst Benedikt, den emeritierten Papst, gibt. Aber in letzter Zeit gab es einigen Wirbel um Äußerungen des Präfekten des Päpstlichen Hauses, Monsignore Georg Gänswein, der andeutete, dass es ein geteiltes Petrusamt mit einem aktiven und einem kontemplativen Papst gibt. Gibt es zwei Päpste?“ Dazu präzisierte Franziskus, Benedikt sei „der emeritierte Papst, nicht der zweite Papst.“

Auf Kardinal Sarah kommt ebenfalls Papst Franziskus zu sprechen: „Kardinal Robert Sarah ist ein guter Mann, ein sehr guter Mann. Als er Erzbischof in seiner Diözese Conakri war, war er großartig. Vielleicht war es falsch von mir, ihn zum Präfekten des jetzigen Dikasteriums für den Gottesdienst zu ernennen, denn dort wurde er sofort von separatistischen Gruppen manipuliert. Aber er ist ein guter Mann. Er ist ein strenger Mann, ein Mann, der viel betet. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ihn die Arbeit in der vatikanischen Kurie ein wenig verbittert hat.“

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
José García Georg Gänswein Johannes Paul II. Monsignore Papst Franziskus Robert Sarah

Weitere Artikel

Wer auch immer in der jüngeren Vergangenheit an der Seite eines Papstes stand: Die Privatsekretäre hatten einen nicht unbeträchtlichen Einfluss, allerdings nur auf Zeit – Ein Überblick ...
26.09.2023, 19 Uhr
Ulrich Nersinger
In einer „Autobiografie der vier Hände“ schaut Papst Franziskus auf sein Leben zurück. Kernpunkte seines Pontifikats bleiben dabei ausgespart.
03.04.2024, 11 Uhr
Guido Horst

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus