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Kommentar: Die Achse verschiebt sich

Der klassische römische Ritus ist weder tot noch in seiner Existenz gefährdet. Daran ändert auch das neue Papstschreiben nichts.
Hochfest der Heiligen Petrus und Paulus - Messe mit Papst
Foto: Alessandra Tarantino (AP) | Papst Franziskus hat kein Motu proprio erlassen und auch kein Lehrschreiben verfasst, sondern er will „schlichtweg einige Denkanstöße geben“.

Das jüngste Apostolische Schreiben über die liturgische Bildung des Volkes Gottes verpflichtet niemanden zu mehr als zur Kenntnisnahme. Schon die Textgattung signalisiert gewollte Unverbindlichkeit: Papst Franziskus hat kein Motu proprio erlassen und auch kein Lehrschreiben verfasst, sondern er will „schlichtweg einige Denkanstöße geben“. Deren Tenor hat viele Traditionalisten erneut verstimmt, denn die Betriebstemperatur gegenüber unzähligen loyalen und friedlichen Gläubigen bleibt so frostig wie in Traditionis custodis.

Wachsende Eigendynamik der "alten Messe"

So unerquicklich die raue Behandlung aus Rom ist, so unerlässlich ist es, sich die rein atmosphärische Bedeutung des Textes zu vergegenwärtigen. Er ändert nichts an der wachsenden Eigendynamik, die von der „alten Messe“ in die Ortskirchen ausstrahlt. Und diese Entwicklung spielt sich nicht allein auf der emotionalen Ebene ab, sie prägt das Bild der Ortskirchen.

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In Deutschland haben die Traditionalisten in diesem Jahr erlebt, was jahrzehntelang undenkbar schien: Der Augsburger Bischof Bertram Meier weihte höchstselbst die Kandidaten der Petrusbruderschaft und stellte sich damit demonstrativ hinter die Gemeinschaft. Auch in Frankreich stimmen die Gläubigen mit den Füßen ab: Die traditionsreiche Pfingstwallfahrt der jungen Traditionalisten von Paris nach Chartres zählte mehr Teilnehmer denn je. Der Ortsbischof ließ es sich nicht nehmen, die Jugendlichen auf einer Etappe zu begleiten. In Spanien hat sich inzwischen ein Tochterbewegung etabliert, die von Oviedo ins Marienheiligtum Covadonga pilgert.

Der klassische römische Ritus ist weder tot noch in seiner Existenz gefährdet, lediglich die Achse verschiebt sich. Die Vitalität der Traditionalistenbewegung speist sich mehr denn je aus den Ortskirchen; weniger aus Rom. Diese Entwicklung macht ihn zum Synodalitätsfaktor par excellence.

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