Wir sitzen direkt an der Mauer, das heißt im Restaurant „Da Romolo alla Mole Adriana“. Früher bot der „Romolo“ einen Steinwurf weiter Richtung Engelsburg preisgünstige Speisen an. Bis er dann vor wenigen Jahren am „Passetto“ neu eröffnete. Die groben Steine der berühmten Fluchtmauer zwischen Vatikan und dem alten Hadrians-Grab schließen die Südfront des Lokals ab, der Rest ist neuzeitlicher Architektur. Alt und neu sind auch die Nachrichten aus dem Kanal, die wir ventilieren. Der Herr Professor hat gehört, dass der Vatikan erwägt, die Zahl der italienischen Diözesen – sie soll bei 226 liegen, aber wer kann das schon zählen – weiter verringern will. Doch dieses Gerücht ist fast so alt wie das Evangelium. Noch Papst Franziskus hat sich daran versucht. Aber mit den Kräften der Beharrung kennt sich der Apostolische Stuhl ja zur Genüge aus.
Wir teilen uns ein „Antipasto di mare“, das beim „Romolo“ warm serviert wird, ordern dazu den weißen Wein des Hauses und haben eigentlich keinen Appetit. Italien hat eine Mobilmachung der „ProPal“ hinter sich. Hunderttausende sind für Palästina auf die Straße gegangen, zwei Millionen sagen die Veranstalter, 400.000 sagen die staatlichen Behörden. Jedenfalls war auch Roms Innenstadt blockiert, am Hauptbahnhof Termini bekam die Statue des guten alten Johannes Paul II. hässliche Parolen draufgeschmiert und überhaupt scheint alles aus dem Häuschen zu sein. Tagelang kannten die Medien kein anderes Thema als die „Flotilla“, jener Schwarm von Jachten und Segelbooten, die von Barcelona und Italien aus mit Hilfsgütern Richtung Gaza aufgebrochen sind.
Nur eine Polit-Show
Allen voran Greta Thunberg. Über 40 Boote sollen es gewesen sein. Sogar im Wetterbericht des geschätzten Senders „La 7“ wurde Tage lang nach dem Tief aus Nordeuropa auf der Mittelmeer-Karte vermerkt, wo sich die „Flottilla“ gerade befindet. Herr Professor hat gelesen, dass es gerade einmal ein halber LKW an Paketen war, den das israelische Militär eingesammelt hat, nachdem die Marine die kleine Flotte gestellt und alle Aktivisten einkassiert hat. Inzwischen sind sie mit Staatsflügen und unter laufender Beobachtung der Medien alle zurück in ihren Heimatländern. Die arme Greta Thunberg: Die Israelis haben ihr das Deo weggenommen und auch ansonsten nicht sehr freundlich behandelt. Herr Professor stochert in seinen Calamari und fragt sich, was denn nun mit den schönen Booten passiert, die im Hafen von Ashdod zurückgelassen wurden. Das Ganze war eine Polit-Show, die der Linken und den Gewerkschaften nur dazu diente, die vorsichtig agierende Regierung unter Giorgia Meloni in Misskredit zu bringen, weil sie sich mit Bannflüchen gegen Israel deutlich zurückgehalten hat.
Auch den zweiten Gang teilen wir uns: „Abbacchio arrosto con patate“, kleine Lammfilets mit gerösteten Kartoffeln. Herr Professor liest gerade eine Biografie von Hannah Arendt, die gerade in Deutschland erschienen ist. Es geht um die Juden, um die Vertreibung aus Europa und das Verhältnis
der „hebräischen Prophetin“ zu ihrem einstigen Philosophen-Vater Martin Heidegger. Ob sich der Wahnsinn von damals heute wiederholt? Am 7. Oktober gleicht das Juden-Viertel in Rom einer belagerten Festung. Wer Jude ist, kann auch in Italien nicht mehr sicher sein. Wir verkneifen uns das „dolce“ und kommen gleich zum Espresso und dem Amaro aus den Abruzzen, der beim „Romolo“ noch aus heimischer Produktion ausgeteilt wird. Pietro Parolin, die Nummer Zwei im Vatikan, hat im Interview die ausgewogene Haltung des Papstes zum Gaza-Krieg erklärt. Der wird jetzt hoffentlich enden. Aber die Dummheit der Populisten kennt wohl keine Grenzen mehr.
Die Trattoria „Da Romolo alla Mole Adriana“ liegt mitten im Borgo in der Via Pannonia, Hausnummer 22.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.