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Der halbierte Präfekt

Im Glaubensdikasterium soll sich Erzbischof Víctor Fernández nicht um Missbrauch kümmern. Aber ein Vertuschungsfall beschäftigt ihn schon: sein eigener.
Victor Manuel Fernandez , neuer Präfekt des Glaubensdikasteriums
Foto: Paul Haring (CNS photo) | Erzbischof Victor Manuel Fernandez, neuer Präfekt des Glaubensdikasteriums und damit Nachfolger von Kardinal Luis Ladaria, muss sich Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen vorwerfen lassen.

Es hatte in Rom vatikanische Alleswisser gegeben, die Stein und Bein darauf schworen, dass der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, Präfekt des Glaubensdikasteriums und damit Nachfolger von Kardinal Luis Ladaria werden würde. Doch die Widerstände im Kardinalskollegium waren erheblich und als Franziskus während seines letzten Krankenhausaufenthalts zumindest ein paar Tage lang von den ewigen Bedenkenträgern in Ruhe gelassen wurde, rief er – wieder – seinen Freund Tucho an, wie man den argentinischen Erzbischof Víctor Manuel Fernández von La Plata nennt.

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Der schrieb selber auf „Facebook“, noch am vergangenen Samstag, dem Tag der Bekanntgabe seiner Ernennung zum Glaubenspräfekten, wie er zu dieser Ehre gekommen war: Das erste Mal, als Franziskus ihm den Stuhl Ladarias anbot, habe er abgelehnt, weil er sich in Fragen des Kindesmissbrauchs, der in die Kompetenz der vatikanischen Glaubensbehörde fällt, nicht vorbereitet fühle. Aber wie habe er ablehnen können, als Franziskus ihn zum zweiten Mal, diesmal aus dem Krankenhaus, anrief und ihm versicherte, sich um Missbrauchsfragen nicht kümmern zu müssen, dafür geben es eine eigene Abteilung im Glaubensdikasterium mit erfahrenen Spezialisten.

„Ich solle mich dagegen“, teilte er weiter auf „Facebook“ mit, „um etwas Anderes kümmern, was ihm (dem Papst) im Augenblick sehr am Herzen liegt: zum Nachdenken über den Glauben zu ermutigen, die Theologie zu vertiefen, ein Denken zu fördern, das mit dem Dialog führen kann, was die Leute beschäftigt, und zu einem christlichen Denken zu ermutigen, das mit Tiefgang frei und kreativ ist.“ 

Schwerer Vorwurf der Vertuschung

Dass Fernández als „halber Präfekt“, der sich um die in seiner Behörde angesiedelte Bearbeitung des Missbrauchs und der Vertuschung nicht kümmern muss – „Dictum Papae“! –, nun aber doch damit zu tun hat, liegt an seiner eigenen Person. Die in den Vereinigten Staaten ansässige Organisation „BishopAccountability.org“ warf Fernández noch am Wochenende vor, einen des Missbrauchs verdächtigten Priester seiner Diözese La Plata gedeckt und in Schutz genommen zu haben, bis sich dieser im Dezember 2019 nach der Ausstellung eines Haftbefehls durch ein Gericht selber das Leben nahm. „Für seinen Umgang mit diesem Fall hätte gegen Fernández ermittelt werden sollen“, statt ihn auf einen der höchsten Posten in der Kirche zu befördern, schrieb die stellvertretende Vorsitzende des Informationsdienstes in Sachen Klerikervergehen, Anne Barrett Doyle.

Wie aber soll das möglich sein, wenn der Beklagte selber zumindest formal der oberste Chef der vatikanischen Behörde ist, die über diese Vertuschungsfälle zu urteilen hat? Fernández hatte vor 2019 den Anschuldigungen von betroffenen Eltern nicht geglaubt, den Pfarrer in seiner Gemeinde belassen und, als sich weitere Opfer meldeten, diesen dann an eine Schule versetzen wollen, wobei er seinen Kritikern vorwarf, den beschuldigten Pfarrer „lächerlich machen“ zu wollen. Als der Priester dann tot war, sprach Fernández „keine Worte des Trostes an die Opfer aus, sondern sagte nur, dass er für diejenigen beten werde, die durch die Anschuldigungen gegen den Priester beleidigt oder betroffen waren“, schreibt „BishopsAccountability“. Schwere Worte, die den Gang des Argentiniers nach Rom zusätzlich belasten werden.

Ein schlechter Start

Als Glaubenspräfekt, so schrieb ihm Papst Franziskus zu seiner Ernennung, solle Fernández hohen moralischen Ansprüchen genügen: „Das Dikasterium, das Sie leiten werden, hat sich in anderen Zeiten unmoralischer Methoden bedient. Das waren Zeiten, in denen man, anstatt theologische Erkenntnisse zu fördern, mögliche Lehrfehler verfolgte. Was ich von Ihnen erwarte, ist sicherlich etwas ganz Anderes.“ Das klingt nach einem Aufbruch zu neuen Ufern, als sei die Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger und seinen Nachfolgern bis zu Kardinal Luis Ladaria doch so etwas wie die heilige Inquisition gewesen. Doch wenn Fernández als Präfekt jetzt „etwas ganz Anderes“ ins Auge fassen will, muss er zunächst den Respekt und das Ansehen der Mitarbeiter der Glaubensbehörde gewinnen – ohne das läuft in dem Dikasterium gar nichts. Als „halber Präfekt“ mit einem massiven Vertuschungsvorwurf an der Backe hatte jetzt der Argentinier auf dem Präfektenstuhl zumindest einen schlechten Start.

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